Der Scrooge in uns allen: Die psychologische Macht des Geldes

Woran denken Sie, wenn Sie an Geld denken? Denken Sie an Luxus, Ihre nächste Ferienreise oder wie viel einfacher Ihr Leben wäre, wenn Sie mehr davon hätten? Oder denken Sie vielleicht auch mit gemischten Gefühlen an die Auswirkungen, die viel Geld auf Sie haben könnte? Vielleicht wären Sie mit mehr Geld nicht mehr der gleiche Mensch? Kann das sein? Bestimmt Geld bis zu einem bestimmten Grad darüber, wer wir sind? Psychologische Forschung legt diesen Schluss nahe und geht einen Schritt weiter: Geld verändert einen auch dann, wenn man es gar nicht besitzt, sondern lediglich damit in Kontakt kommt.

Dies ist die Gerechtigkeit der Welt! (...) Gegen nichts ist sie so hart, wie gegen die Armut; und nichts tadelt sie mit größerer Strenge, als das Streben nach Reichtum.“ (Charles Dickens)

Dieser etwas verzweif(https://pixabay.com/de/geldhai-gesch%C3%A4ftsmann-geldgier-1612260/, CC: https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de).elte Satz stammt von Ebenezer Scrooge, dem reichen, kaltherzigen Protagonisten aus Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichte und drückt die ambivalente Haltung aus, die viele gegenüber Geld und Reichtum aufbringen. Einerseits möchte man es besitzen, andererseits macht einem Geld auch Angst. Möglicherweise fürchtet man sich davor, so zu werden wie Ebenezer Scrooge, der reiche Geschäftsmann, dessen einziger Freund das Geld ist und der kaltblütig den Ärmsten der Armen seine Hilfe verweigert. Einen Ebenezer Scrooge haben viele vor Augen, wenn sie an Personen mit viel Geld denken. Das zeigt sich darin, dass reiche Leute generell als kompetent gesehen werden, schließlich sind sie oft – genau wie Scrooge – beruflich sehr erfolgreich und haben Einfluss. Aber sie werden auch als sozial distanziert und kaltherzig wahrgenommen (Fiske, Cuddy & Glick, 2002). Hinter diesem Stereotyp scheint implizit die Annahme zu stehen, dass Geld Macht über Personen ausübt. Der Volksmund spricht hier davon, dass Geld den Charakter verdirbt. Hat der Volksmund recht? Ist die Macht des Geldes tatsächlich so groß und kann aus jeder oder jedem einen Ebenezer Scrooge machen? Und wenn ja, wie kann es sein, dass ein bisschen Papier und billiges Metall einen solchen Einfluss auf unser Verhalten nimmt.

Die Gier nach Geld

Nüchtern betrachtet ist Geld nichts anderes als ein Werkzeug, ein Mittel für den Austausch von Gütern. Psychologisch ist Geld aber weit mehr als das. Geld ist ein Symbol dafür, es zu etwas gebracht zu haben, wichtig zu sein und Ressourcen zu haben (Lea & Webley, 2006). Dinge also, nach denen viele streben. Und weil viel Geld eben Ansehen, Reichtum und Macht mit sich bringt, kann Geld wie eine Droge wirken, von der man nie genug bekommt (Lea & Webley, 2006). Eine Droge, die das Leben bestimmt und alles andere, inklusive sozialer Beziehungen, in den Hintergrund rücken lässt. Dementsprechend zeigt es sich, dass man umso mehr auf sich selber fokussiert und weniger Mitgefühl empfindet, je wohlhabender man ist. Dies äußert sich darin, dass wohlhabende Personen weniger großzügig und weniger hilfsbereit sind und anderen grundsätzlich eher misstrauen (Piff, Kraus, Côté, Cheng & Keltner, 2010). Darüber hinaus zeigen Wohlhabende mehr unethisches Verhalten, teilweise bedingt durch eine positivere Einstellung gegenüber Gier (Piff, Stancato, Côté, Mendoza-Denton & Keltner, 2012). Es besteht also eine eindeutige Ähnlichkeit zum reichen Ebenezer Scrooge.

Der bloße Gedanke an Geld

In der bisher beschriebenen Literatur ging es immer darum, reich zu sein, beziehungsweise viel Geld zu haben. Allerdings ist es schwierig zu sagen, inwiefern unterschiedliche Verhaltensweisen von reichen und armen Personen nur dadurch zustande kommen, dass die einen mehr Geld besitzen als die anderen. Schließlich handelt es sich um zwei Gruppen, die sich auch auf vielen anderen Dimensionen, wie Herkunft, Hobbies oder politischer Haltung, unterscheiden können. Aktuelle Forschung versucht, solche Störvariablen auszuräumen, indem sie Gruppen untersucht, die sich systematisch nur dahingehend unterscheiden, dass bei der Hälfte der Personen das Konzept Geld gedanklich aktiviert wurde und bei der anderen nicht. Man spricht in dem Zusammenhang auch von „Geld-Priming“. Die Idee dabei ist, dass Geld Symbol für Reichtum, Macht und Unabhängigkeit ist. Geld steht für eine Ressource, die einem erlaubt, seine Ziele und Wünsche erreichen zu können, ohne auf andere angewiesen sein zu müssen. Wenn der Gedanke an Geld also aktiviert wird, sollten damit auch Gedanken an Unabhängigkeit und das Gefühl, eigenmächtig Ziele erreichen zu können, zugänglicher gemacht werden. Reicht also der bloße Gedanke an Geld aus, um Einfluss auf Einstellungen und Verhalten von Menschen auszuüben? 

Tatsächlich wurde gezeigt, dass man kein reicher Scrooge sein muss, um von Geld beeinflusst zu werden (z. B. Vohs, Mead & Goode, 2006, 2008). Der bloße Gedanke an Geld oder der bloße Kontakt mit Geld reichen aus, um sehr ähnliches Verhalten auszulösen, wie es reiche Personen zeigen: Personen, die zuvor an Geld erinnert wurden (z. B. ein Bild von Geld gesehen haben), zeigten weniger Hilfsbereitschaft und spendeten weniger Zeit oder Geld für Bedürftige als Personen, die nicht an Geld erinnert wurden (Vohs et al., 2006, 2008). Diese soziale Distanziertheit legen Personen, die an Geld erinnert wurden, aber nicht nur Fremden gegenüber an den Tag. Sie wollen grundsätzlich weniger Zeit mit anderen verbringen, inklusive mit Leuten, die ihnen nahe stehen (Mogilner, 2010). Geld- Priming scheint dazu zu führen, dass man weniger Wert auf die Bedürfnisse anderer legt. Das geht so weit, dass Personen, die an Geld erinnert werden, im Gegensatz zu anderen Personen weniger bereit sind, ihr Verhalten zu ändern, wenn ihnen aufgezeigt wird, welche negativen Konsequenzen das Verhalten für ihre Mitmenschen haben kann (Reutner & Wänke, 2013). Geld- Priming kann also dazu führen, dass man ganz bewusst den Schaden anderer eher in Kauf nimmt, oft mit dem Ziel, sich selber zu bevorteilen(Gino & Pierce, 2009).

Geld als psychologische Ressource

Geld lässt einen also scheinbar sozial distanziert und selbstbezogen werden. Dazu muss man es nicht mal im Überfluss besitzen, es reicht schon, an Geld zu denken, um uns scheinbar in Ebenezer Scrooge zu verwandeln. Das sind ziemlich beunruhigende Nachrichten, schließlich kommen wir tagtäglich mit Geld in Kontakt. Ist denn Geld tatsächlich nur schlecht? Hat es gar keine positiven Auswirkungen?

Wenn wir wieder den Vergleich zu Ebenezer Scrooge ziehen, dann merken wir, dass er nicht nur schlechte Eigenschaften hatte. Zwar war er eigenbrötlerisch, geizig und ganz und gar nicht hilfsbereit, aber er war auch fleißig, kompetent in seiner Arbeit und selbstständig. Tatsächlich führt der bloße Gedanke an Geld zu ganz ähnlichen Effekten. Personen, die an Geld erinnert wurden, arbeiten länger und fleißiger an einer Aufgabe, zeigen mehr Selbstständigkeit im Lösen von Aufgaben (Vohs et al., 2006, 2008), mehr Durchhaltevermögen, erhöhte Selbstkontrolle (Boucher & Kofos, 2012; Zhou, Vohs & Baumeister, 2009) und denken abstrakter, in größeren Zusammenhängen (Hansen, Kutzner & Wänke, 2013). Diese Effekte lassen sich damit erklären, dass Geld als psychologische Ressource dient, die einem erlaubt, sich auf sich selber verlassen zu können, ohne die Hilfe anderer zu brauchen (Vohs et al., 2006, 2008; Zhou et al., 2009). Und dabei reicht der bloße Gedanke an Geld, um diese Ressource zu aktivieren. Besonders eindrücklich haben das Zhou et al. (2009) veranschaulicht. Sie ließen ihre Versuchspersonen ein virtuelles Ballspiel spielen, bei dem die Hälfte von ihnen nach einiger Zeit nicht mehr angespielt wurde. Versuchspersonen, die zuvor Geld gezählt hatten, ließen sich von dem Ausschluss nicht beeindrucken und zeigten keine Stressreaktionen. Solche, die zuvor Papier statt Geld gezählt hatten, waren hingegen deutlich gestresst. In einem weiteren Experiment zeigten Zhou et al., dass Versuchspersonen, die an Geld erinnert worden waren, nicht nur weniger „psychologischen Schmerz“, sondern auch weniger physischen Schmerz empfanden. Probandinnen und Probanden, die zuvor Geld gezählt hatten, fanden den Kontakt mit heißem Wasser weniger schmerzhaft als solche, die zuvor Papier gezählt hatten. Dadurch, dass Geld symbolisch für Macht und Unabhängigkeit steht und diese Assoziationen wiederum durch das Zählen von Geld aktiviert werden, fungiert Geld als psychologische Ressource, die gegen negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden schützt.

Mit Geld zum Gutmenschen

Bisher scheint es demnach so zu sein, dass Geld einen stärkt, zu mehr Selbständigkeit und Durchhaltewillen führt, dies aber auf Kosten von Geselligkeit und Hilfsbereitschaft. Hat der Besitz von Geld oder der Gedanke an Geld, also immer eine Schattenseite? Nicht unbedingt: So wie Scrooge am Ende der Weihnachtsgeschichte zwar immer noch reich ist, sich aber trotzdem zum Philanthropen wandelt, hat auch die psychologische Forschung einige Wege entdeckt, wie Geld nicht nur Selbstständigkeit und Durchhaltewillen, sondern auch Geselligkeit und Hilfsbereitschaft erhöhen kann. Entscheidend dabei sind gewecktes Mitgefühl und die persönliche Bedeutung von Geld.

Ein entscheidendes Element, das Scrooge zum Philanthropen macht, ist die Erkenntnis, wie schlecht es anderen geht. Bei ihm ist Mitgefühl also ein entscheidender Faktor, der zu seiner Wandlung führt. Forschung zeigt, was für Scrooge gilt, gilt auch für andere: Gewecktes Mitgefühl führt bei wohlhabenden Menschen zu großer Hilfsbereitschaft – und zwar auch dann, wenn die hilfsbedürftige Person gar nicht diejenige war, die das Mitgefühl geweckt hat (Piff et al., 2010). Zudem wird viel Geld auch mit Geben assoziiert: Wer viele Ressourcen hat, der hat auch die Möglichkeit damit Gutes zu tun. So ist Geld nicht immer nur mit egoistischen, sondern auch mit altruistischen Motiven assoziiert. Wenn es diese altruistische Bedeutung von Geld ist, die durch den Gedanken an Geld aktiviert wird, führt der Kontakt mit Geld sogar zu mehr prosozialem Verhalten (Yang et al., 2013). Yang et al. legten ihren Versuchspersonen beispielsweise besonders saubere Geldscheine vor, was daran erinnern sollte, das Geld nicht nur für „dreckige“ Geschäfte gebraucht werden kann, sondern durchaus auch für „saubere“ und soziale Dinge. Daraufhin verhielten sich diese Versuchspersonen prosozialer als solche, die keine Geldscheine vorgelegt bekommen hatten. Dreckige Geldscheine hingegen führten zu weniger prosozialem Verhalten. Die Effekte von Geld sind also nicht immer und für alle gleich.

 

Fazit

Geld hat zweifelsfrei Einfluss auf unser Erleben und Verhalten. Bild: stevepb via pixabay (https://pixabay.com/de/m%C3%BCnzen-w%C3%A4hrung-investitionen-1523383/, CC: https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de). Geld hat zweifelsfrei Einfluss auf unser Erleben und Verhalten. Obwohl es unmöglich ist, Unterschiede im Verhalten von Reichen und Armen Leuten kausal darauf zurückzuführen, dass die einen mehr Geld besitzen als die anderen, zeigt Forschung, dass schon der bloße Gedanke an Geld ausreicht, um Einstellungen und Verhalten zu beeinflussen. Der Gedanke an Geld aktiviert eine mentale Ressource, die uns mehr Kontrolle und Ausdauer ermöglicht. Ob uns Geld darüber hinaus kalt und egoistisch oder warm und hilfsbereit werden lässt, hängt unter anderem davon ab, welche Bedeutung Geld für uns hat. Die Macht des Geldes wirkt sich also nicht in jeder Situation und nicht auf jeden gleich aus.

 

 

Referenzen

Boucher, H. C. & Kofos, M. N. (2012). The idea of money counteracts ego depletion effects. Journal of Experimental Social Psychology, 48, 804-810. doi:10.1016/j.jesp.2012.02.003

Dickens, C. (n.d.) Der Weihnachtsabend. Eine Geistergeschichte. Verfügbar unter: http://www.gutenberg.org/files/22465/22465-h/22465-h.htm

Fiske, S. T., Cuddy, A. J. C. & Glick, P. (2002). A model of (often mixed) stereotype content: Competence and warmth respectively follow from perceived status and competition. Journal of Personality and Social Psychology, 82, 878-902. doi:10.1037//0022-3514.82.6.878

Gino, F. & Pierce, L. (2009). The abundance effect: Unethical behavior in the presence of wealth. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 109, 142-155. doi:10.1016/j.obhdp.2009.03.003

Hansen, J., Kutzner, F. & Wänke, M. (2013). Money and thinking: Reminders of money trigger abstract construal and shape consumer judgments. Journal of Consumer Research, 39, 1154-1166. doi:10.1086/667691

Lea, S. E. G. & Webley, P. (2006). Money as tool, money as drug: The biological psychology of a strong incentive. Behavioral and Brain Sciences, 29, 161-209.

Mogilner, C. (2010). The pursuit of happiness: Time, money, and social connection. Psychological Science, 21, 1348-1354. doi:10.1177/0956797610380696

Piff, P. K., Kraus, M. W., Côté, S., Cheng, B. H. & Keltner, D. (2010). Having less, giving more: the influence of social class on prosocial behavior. Journal of Personality and Social Psychology, 99, 771-784. doi:10.1037/a0020092

Piff, P. K., Stancato, D. M., Côté, S., Mendoza-Denton, R. & Keltner, D. (2012). Higher social class predicts increased unethical behavior. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 109, 4086-4091. doi:10.1073/pnas.1118373109/-

Reutner, L. & Wänke, M. (2013). For my own benefit or for the benefit of others: Reminders of money moderate the effects of self-related versus other-related persuasive arguments. Social Psychological and Personality Science, 4, 220-223. doi:10.1177/1948550612450052

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Vohs, K. D., Mead, N. & Goode, M. (2008). Merely activating the concept of money changes personal and interpersonal behavior. Current Directions in Psychological Science, 17, 208-212. Retrieved from http://cdp.sagepub.com/content/17/3/208.short

Yang, Q., Wu, X., Zhou, X., Mead, N. L., Vohs, K. D. & Baumeister, R. F. (2013). Diverging effects of clean versus dirty money on attitudes, values, and interpersonal behavior. Journal of Personality and Social Psychology, 104, 473-489. doi:10.1037/a0030596

Zhou, X., Vohs, K. D. & Baumeister, R. F. (2009). The symbolic power of money: Reminders of money alter social distress and physical pain. Psychological Science, 20, 700-706.

 

 

 

 

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