Die Weisheit der Vielen sagt Oscarverleihung vorher

Fehler machen wir alle. Solange wir aber nicht alle die gleichen Fehler machen, können wir die Weisheit der Vielen nutzen – z.B. für die Vorhersage der Oscarverleihungen.

herzog_blog1_bydisneyabctelevisiongroup_viaflickrBild von Disney ABC Television Group via Flickr (https://www.flickr.com/photos/disneyabc/12893746614), CCO (https://creativecommons.org/licenses/by-nd/4.0/)Wenn wir vor einer Entscheidungen stehen, dann orientieren wir uns häufig an dem was Andere tun. Dass dies in vielen Fällen eine äußerst geschickte Strategie ist, zeigt das Phänomen der „Weisheit der Vielen“. Zur Erläuterung dieses Phänomens lohnt sich der Blick auf die TV-Spielshow „Wer wird Millionär?“. Wenn sich eine Kandidatin ihrer Antwort nicht sicher ist, kann sie eine zuvor selbstausgewählte Expertin oder aber das ganze Publikum („Publikumsjoker“) befragen. Surowiecki (2004) berichtet in seinem Bestseller „Weisheit der Vielen“, dass die Experten/innen in 65 % der Fälle die richtige Antwort empfehlen. Im Gegensatz dazu fallen in 91 % der Fälle die meisten Stimmen des Publikums auf die richtige Antwort. Warum aber führt die Weisheit der Vielen zu so viel akkurateren Einschätzungen als die Meinung von Experten/innen?

Vergangene Forschung hat gezeigt, dass die Weisheit der Vielen dann entsteht, wenn nicht alle die gleichen Fehler machen und sich Fehler somit gegenseitig auslöschen (Page, 2007). Eine Illustration: Anlässlich der Oscarverleihung 2014 hatte ich von selbsternannten Experten/innen und Laien online Vorhersagen gesammelt. Obwohl die einzelnen Laien mit durchschnittlich 30 % richtigen Vorhersagen besser abschnitten als der Zufall (20 %), unterlagen sie den einzelnen Experten/innen (39 %). Ganz anders sieht es aus, wenn man die Weisheit der Vielen betrachtet: Als Gruppe erreichen die Experten/innen zwar eine beachtliche Trefferrate von 63 %, die Laien kommen aber sogar auf 69 %!

Die „Weisheit der vielen Laien“ sagt die Verleihung deshalb so gut vorher, weil die Laien unterschiedlichere Fehler als die Expert/innen machten, das heißt, ihre Fehler konzentrierten sich weniger auf die gleichen falschen Antworten. Als Beispiel: In der Kategorie „Beste Nebendarstellerin“ hatten 47 % der Experten/innen Jennifer Lawrence (in „American Hustle“) ihre Stimme gegeben. Etwas weniger Stimmen (41 %) fielen auf die tatsächliche Gewinnerin Lupita Nyong’o (in „12 Years a Slave“); und die anderen drei nominierten Schauspielerinnen teilten sich somit die 12 % der restlichen Stimmen. Im Gegensatz zu den Experten/innen waren sich die Laien deutlich unsicherer. Jennifer Lawrence erhielt nur 26 % der Stimmen, und die tatsächliche Gewinnerin, Lupita Nyong’o, mit 29 % nur knapp mehr. Die anderen drei nominierten Schauspielerinnen erhielten mit insgesamt 45 % Stimmen wesentlich mehr Stimmen als von den Experten/innen (12 %). Dadurch dass sich die Laien weniger auf die gleiche falsche Antwort eingeschossen hatten, hatten sie die bessere Chance, als Gruppe richtig zu liegen.

Wie mächtig die Weisheit der Vielen tatsächlich ist, lässt sich an einem Tippspiel des Schweizer Fernsehens (SRF) verdeutlichen. Vor der Oscarverleihung konnte man gegen den als Filmredakteur tätigen Experten Michael Sennhauser antreten und auf die verschiedenen Preisträger wetten. David Rothschild, Forscher bei Microsoft in New York, hatte Vorhersagen publiziert, die auf der Wettbörse betfair.com beruhen. Ganz faul habe ich diese „Weisheit der Vielen“-Vorhersagen übernommen und damit Herrn Sennhauser geschlagen (Trefferraten: 88 % vs. 79 %) und insgesamt die zweitbeste Vorhersage eingereicht.

Quellen:

Page, S. E. (2007). The difference: How the power of diversity creates better groups, firms, schools, and societies. Princeton, NJ: Princeton University Press.

Surowiecki, J. (2004). The wisdom of crowds: Why the many are smarter than the few and how collective wisdom shapes business, economies, societies and nations. Garden City, NY: Doubleday