Gefühlte Wahrheit, Bauchgefühl-Wahrheit: Truthiness und die Wirkung von Fotos

Hat hier jemand Fake News gerufen? Inwieweit kann unsere Einschätzung einer Aussage als wahr oder unwahr dadurch beeinflusst werden, dass diese Aussage von der Präsentation eines Fotos begleitet wird? 

Durchgestrichenes "No Photo"No Photo von Jens Hellmann (privat)Bevor der Comedian Stephen Colbert die Late Night Sendung von David Letterman übernahm, hatte er auf dem Sender Comedy Central seine eigene Show, den Colbert Report. Er trat darin zwar unter seinem Klarnamen auf, spielte dennoch eine Rolle. Er mimte einen populistischen, erzkonservativen Politjournalisten, der sich durch seine ins Absurde überspitzen politischen Positionen über die Konservativen in den USA lustig machte. Eines der Konzepte, die er hierbei einführte, bezog sich auf die gefühlte Wahrheit, die sich nicht in einem Buch nachlesen lässt, die sogenannte truthiness. Vielmehr schlägt (die Figur von) Colbert vor bzw. rät dazu, Nachrichten im Bauch nachzuschlagen.

Vier Experimente von Newman und KollegInnen, die 2012 in einem Artikel in der Fachzeitschrift Psychonomic Bulletin and Review veröffentlicht wurden, beschäftigten sich damit, wie Informationen, die nicht überprüft werden können, subjektive Gefühle der Wahrheit aufblähen können. In manchen dieser Experimente wurden den Teilnehmenden zum Beispiel Namen von bekannten oder unbekannten Persönlichkeiten präsentiert und die Teilnehmenden mussten einer der Aussagen „Diese Person ist lebendig.“ oder „Diese Person ist tot.“ zustimmen oder diese ablehnen. Zusätzlich wurde zu einigen der Namen ein Foto der entsprechenden Person in Ausübung ihres jeweiligen Berufes präsentiert, zu anderen Namen nicht. Wenn ein Foto der Person präsent war, wurde das gleichzeitig präsentierte Statement häufiger als zustimmend eingeschätzt, als wenn ein solches Foto fehlte. Dieser Effekt war tendenziell stärker bei eingeblendeten Namen unbekannter Personen, aber er trat für beide Arten der Aussage auf: tot oder lebendig. Die AutorInnen betrachten diese in ihren Studien gefundenen Zusammenhänge als Beleg dafür, dass Fotos eine verstärkende Wirkung auf das Vertrauen auf die Bauchgefühl-Wahrheit haben.

Vermutlich tragen soziale Medien ihren Teil dazu bei, dass aktuell immer häufiger eine gewisse Unsicherheit darüber besteht, ob eine Nachricht wahr ist oder nicht. Auch auf Basis nachfolgender Untersuchungen derselben Arbeitsgruppe scheint es so zu sein, dass Fotos, die zu einer Aussage passen, den wahrgenommenen Wahrheitsgehalt dieser Aussage erhöhen können.

Quelle:

Newman, E. J., Garry, M., Bernstein, D. M., Kantner, J., & Lindsay, S. D. (2012). Nonprobative photographs (or words) inflate truthiness. Psychonomic Bulletin & Review, 19, 969-974. doi:10.3758/s13423-012-0292-0.