Gute Argumente? Kannst du behalten – ich bleibe lieber bei meiner Meinung.

Gleichgeschlechtliche Ehe, Bundestagswahl, Abtreibung – so unterschiedlich politische und soziale Themen sind, so divers sind auch die Meinungen dazu.  Doch anstatt uns konstruktiv mit Andersdenkenden auszutauschen, vermeiden wir es, uns mit den Argumenten der Gegenstimme zu befassen. Machen das Personen unterschiedlicher politischer Einstellungen gleichermaßen? Und was sind die Gründe dafür?

opinion mugGerade im digitalen Zeitalter können wir uns mit unterschiedlichen Meinungen zu allen möglichen Themen auseinandersetzen. Die Verfügbarkeit dieser Informationen führt jedoch noch lange nicht dazu, dass Personen einen diversen Blick auf Themen einnehmen. Ganz im Gegenteil: Haben wir uns erst einmal eine Meinung gebildet, so beschäftigen wir uns im Weiteren besonders gerne mit Informationen, die diese Meinung weiter bestärken. Dieses Phänomen wird unter dem Begriff der selektiven Exposition (engl.: „selective exposure“) behandelt. Über mehr als 90 Studien hinweg konnte dieser Effekt deutlich gezeigt werden (Hart et al., 2009) — unabhängig davon, ob es um religiöse Ansichten, politische Positionen oder andere Themen ging.

Firmer und KollegInnen (2017) befragten beispielsweise 152 ProbandInnen zu Ihrer Meinung bezüglich der gleichgeschlechtlichen Ehe. Nachdem sich die ProbandInnen für oder gegen die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen hatten, wurden sie vor die Wahl gestellt: Entweder sie bearbeiteten Argumente für die gegensätzliche Meinung und nahmen an einer Verlosung für 10 Dollar teil oder sie bearbeiteten Argumente, die ihre eigene Meinung stützten, bekamen dafür aber nur eine Chance auf 7 Dollar. Und tatsächlich: Über die Hälfte (63%) der ProbandInnen entschied sich für den geringeren Gewinn, um zu vermeiden, sich mit den Argumenten der anderen Meinung auseinanderzusetzen. Interessanterweise zeigten sich diese Befunde sowohl für die Befürwortenden als auch für die GegnerInnen der gleichgeschlechtlichen Ehe.

Indem Personen gezielt Informationen vermeiden, die nicht ihrer eigenen Meinung entsprechen, verweilen sie in ihrer ideologischen „Blase“. Dadurch werden sie weniger empfänglich für Gegenstimmen—auch, wenn diese womöglich sogar gut begründet sind. Besonders spannend ist dieses Phänomen für die politische Meinungsbildung. Lange wurde angenommen, dass Liberale offener für andere Meinungen sind als Konservative. Um diese Annahme zu überprüfen, untersuchten Frimer und KollegInnen (2017), ob sich Personen unterschiedlicher politischer Einstellungen darin unterscheiden, inwiefern sie Argumente anderer Meinungen vermeiden.

In einer weiteren Studie wurden also in Summe 156 amerikanische ProbandInnen befragt, ob sie in den U.S.-amerikanischen Wahlen im Jahr 2012 für Romney oder Obama gewählt hatten. Danach sollten alle ProbandInnen angeben, wie interessiert sie daran seien, mehr darüber zu erfahren, weshalb sich andere WählerInnen für Romney oder für Obama entschieden hatten. Es zeigte sich: Obama-WählerInnen bekundeten größeres Interesse an einer Begründung anderer Obama-Wählenden als an einer Begründung von Romney-Wählenden und vice versa. In einem weiteren Teil der Befragung gaben die Personen selbst an, dass sie bisher wenig über die Argumente der anderen Meinung Bescheid wussten—sie wollten es aber scheinbar gar nicht genauer wissen.

Doch warum sind sowohl liberale als auch konservative Personen nicht daran interessiert, die Argumente anderer Meinungen zu hören? Erneut befragten Frimer und KollegInnen (2017) ProbandInnen zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Wenn man sie vor die Wahl stellte, waren die ProbandInnen auch diesmal nicht daran interessiert, die Begründungen der anderen Meinung zu hören. Das könnte auf zwei Gründe zurückgeführt werden: Zum einen befürchteten ProbandInnen durch das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Meinungen persönliches Unbehagen und eine hohe Anstrengung. Im Recht zu sein, fühlt sich schließlich besser an als, in Frage gestellt zu werden. Zum anderen befürchteten sie, dass die Beziehung zur anderen Person damit geschädigt werden und es zu einem Streit kommen könnte. Damit wäre das grundlegende Bedürfnis nach einer gemeinsamen Realität und einem gemeinsamen Realitätssinn deutlich getrübt.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Personen unabhängig von ihrer politischen Einstellung gleichermaßen versuchen, sich nicht mit den Argumenten anderer Meinungen auseinanderzusetzen. Dieses Phänomen hat sowohl eine intrapersonelle (Unbehagen bei der Auseinandersetzung mit Gegenstimmen) als auch eine interpersonelle Ursache (Befürchtung eines Konfliktes mit anderen Personen).

Dass Inhalte im Netz immer mehr an unsere individuellen Neigungen und Meinungen angepasst werden, verstärkt den Effekt der selektiven Exposition auch in unserem Alltag. So folgen wir auf Instagram und Twitter womöglich (unbewusst) genau den Personen, die ähnliche Meinungen vertreten wie wir. Also: Raus aus der Informationsblase! Lassen wir uns doch zur Abwechslung auch einmal auf die Begründungen anderer Meinungen ein!

Quellen:

Frimer, J. A., Skitka, L. J., & Motyl, M. (2017). Liberals and conservatives are similarly motivated to avoid exposure to one another's opinions. Journal of Experimental Social Psychology, 72, 1-12.

Hart, W., Albarracín, D., Eagly, A. H., Brechan, I., Lindberg, M. J., & Merrill, L. (2009). Feeling validated versus being correct: a meta-analysis of selective exposure to information. Psychological Bulletin, 135, 555.

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