Irren ist menschlich: Achten wir beim Lernen auf die richtigen Aspekte?

Wie bereite ich mich sinnvoll auf die Prüfung vor? Diese Frage treibt Lernende auf der ganzen Welt um. Die Antwort hängt von Aspekten wie den eigenen Fähigkeiten, der Zeitplanung oder der Strukturierung der Lerneinheiten ab und ist daher komplex. Leider können wir uns dabei nicht immer auf unser Gefühl verlassen.

Wenn es an die Prüfungsvorbereitung geht, müssen Lernende viele Entscheidungen treffen – wann sie mit dem Lernen beginnen, welche Themen sie wiederholen und wie intensiv sie sich mit diesen auseinandersetzen. Eine Vielzahl an Methoden, sich die Inhalte anzueignen, steht ihnen dabei zur Auswahl. Diese Lernstrategien unterscheiden sich bezüglich des Prozesses, der kurzfristigen Ergebnisse und des langfristigen Lernerfolgs. Doch Lernende wissen oft nicht, wie sie optimal vorgehen können: Sie verwenden wenig effiziente Lernstrategien und unterschätzen die Effekte der von Bildungsforscher*innen empfohlenen Strategien (McCabe, 2011).

Das lässt sich beispielhaft an der Beschäftigung mit Schmetterlingsarten im Biologie-Unterricht deutlich machen: Wie können Schüler*innen die korrekten Bezeichnungen und Alleinstellungsmerkmale auswendig lernen?

Viele würden sich vermutlich intuitiv nacheinander mit den jeweiligen Arten beschäftigen. Also zuerst mit Art A, dann mit Art B und zuletzt mit Art C. Diese Strategie wird als „gruppiertes Lernen“ bezeichnet. Eine Alternative stellt das „verschachtelte Lernen“ dar. Dabei setzen sich Lernende gleichzeitig mit allen Arten auseinander und lernen sie durcheinander (z.B. erst A, dann B, dann wieder A, dann C). Dadurch müssen Informationen über einzelne Arten ständig neu abgerufen werden, was kognitiv anstrengender ist. Langfristig verschafft diese Strategie aber den größeren Erfolg. Das konnten Psycholog*innen feststellen, die Studierende Schmetterlingsarten mit den beiden Strategien lernen ließen und anschließend deren Wissen testeten (Birnbaum et al., 2013). Durch verschachteltes Lernen waren die Studierenden besser darin, neue Individuen der korrekten Art zuzuordnen. Woran liegt das?

Beim Lernen der Schmetterlingsarten geht es um zwei Fragen: „Was haben Individuen einer Art gemeinsam?“ und „Was unterscheidet sie von Individuen anderer Arten?“. Das gruppierte Lernen stellt die Eigenschaften einer Art in den Vordergrund. Beim verschachtelten Lernen werden die Arten nebeneinandergestellt und dadurch auch die Unterschiede zwischen den Arten hervorgehoben (Birnbaum et al., 2013).

Obwohl das verschachtelte Lernen besser funktioniert, halten Lernende das gruppierte Lernen für effektiver. Dass sie den Vorteil des verschachtelten Lernens nicht erkennen, könnte an sogenannten metakognitiven Illusionen liegen.

Metakognition bedeutet, über die eigenen Denkprozesse nachzudenken, was z.B. dabei helfen kann, passende Lernstrategien auszuwählen. Wenn sich Lernen aber zähflüssig und anstrengend anfühlt (etwa beim verschachtelten Lernen), kann es sein, dass Lernende diese Anstrengung fehlinterpretieren. Obwohl die Lernstrategie also eigentlich effektiv ist, fühlt es sich für die Lernenden so an, als würden sie weniger gut lernen. Diese fehlerhafte und verzerrte Einschätzung des Lernprozesses wird als metakognitive Illusion bezeichnet und führt dazu, dass Lernende eigentlich effektive Lernstrategien vermeiden.

Metakognitive Illusionen sind hartnäckig: Auch wenn Lernende über sie aufgeklärt werden, bleiben einige bei ihren ursprünglichen Überzeugungen (Yan et al., 2016). [Einzelne Leser*innen werden sich in diesem Moment vielleicht ertappt fühlen.] Sie nehmen an, dass die Informationen auf sie nicht zutreffen oder achten eher darauf, wie fließend der Prozess abläuft – nach dem Prinzip „Wenn sich das Lernen leicht anfühlt, sollte auch das Erinnern nicht schwerfallen“. Effektive Lernstrategien zu nutzen, bedeutet auch, eigene Gewohnheiten zu ändern - und das kann anstrengend und aufwendig sein. Daher können auch persönliche Ziele eine Rolle spielen, zum Beispiel, ob Lernende die anstehende Prüfung nur bestehen, auch eine gute Note bekommen oder sich den Stoff sogar langfristig aneignen wollen. Wer sich die Inhalte nachhaltig einprägen will, sollte auf das verschachtelte Lernen setzen.

Um Lernende zum verschachtelten Lernen zu motivieren, ist Aufklärungsarbeit nötig. Es hilft zum Beispiel, sich mit Gedächtnismechanismen auseinanderzusetzen, um unterschiedliche Lernstrategien besser einschätzen zu können. Diejenigen, die in einem anderen Kurs Originalstudien zu Lernstrategien kennenlernten, waren darin sogar noch besser (McCabe, 2011). Lernende einfach über die Vorteile von bestimmten Lernstrategien zu informieren, ist dagegen weniger effektiv. Es braucht also auch Zeit und Mühe auf Seiten der Lehrenden, Lernenden zu realistischeren Metakognitionen zu verhelfen.

Fest steht: Herausforderungen können sich lohnen!

Literaturverzeichnis

Birnbaum, M. S., Kornell, N., Bjork, E. L., & Bjork, R. A. (2013). Why interleaving enhances inductive learning: The roles of discrimination and retrieval. Memory & Cognition, 41(3), 392–402. https://doi.org/10.3758/s13421-012-0272-7 

Bjork, R. A., Dunlosky, J., & Kornell, N. (2013). Self-regulated learning: beliefs, techniques, and illusions. Annual Review of Psychology, 64(1), 417–444. https://doi.org/10.1146/annurev-psych-113011-143823 

McCabe, J. (2011). Metacognitive awareness of learning strategies in undergraduates. Memory & Cognition, 39(3), 462–476. https://doi.org/10.3758/s13421-010-0035-2 

Yan, V., Bjotk, E. L., & Bjork, R. A. (2016). On the difficulty of mending metacognitive illusions: A priori theories, fluency effects, and misattributions of the interleaving benefit. Journal of Experimental Psychology. General, 145(7), 918–933. https://doi.org/10.1037/xge0000177 

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