Pokerface?! Warum wir beim Pokern auf das falsche Körperteil schauen
Manche haben’s, andere nicht: das berühmte Pokerface. Die, die’s nicht haben, bedienen sich verschiedenster Hilfsmittel, um ihre Emotionen am Pokertisch zu kaschieren. Was hat man nicht schon alles gesehen bei der World Series of Poker oder auch der heimischen Pokerrunde unter Freunden: Da gibt es die dunkle Sonnenbrille trotz später Stunde und schlecht beleuchteter Räume, das Baseball-Cap tief über die Augen gezogen oder gar jene Strateg/innen, die sämtlichen Augenkontakt und soziale Interaktion vermeiden – Spaß sieht anders aus.
Psychologische Forschung legt jetzt allerdings nahe, dass wir beim Blick ins Pokerface den falschen Körperteil betrachten, um Bluff-Anzeichen zu entdecken. Wenn also nicht ins Gesicht, wohin sollte man dann sonst schauen? Mein guter Freund und Semipokerprofi Boto* behauptet schon seit Jahren, es sei die Halsschlagader. An der pulsierenden Ader könne man schließlich hervorragend die physiologische Erregung des Gegenübers ablesen. Sobald viele Chips in der Mitte liegen, sitzt er also da und verdeckt mit seiner Hand den Hals, so als wolle er sich selber würgen. Mag sein, dass er Recht hat. Forschung, die seine These bestätigt, ist mir allerdings nicht bekannt.
Welcher Körperteil also dann? Eine Forschergruppe um Michael Slepian von der Columbia University sagt: Unsere Hände sind das neue Pokerface! Beziehungsweise eben gerade nicht, weil uns unsere Hände am Pokertisch verraten. Diese Annahme untersuchten die Autor/innen in einigen Experimenten, in denen sie Proband/innen kurze Videoclips zeigten und dann die Güte von verdeckten Pokerblättern einschätzen ließen. Diese Videos zeigten allesamt, wie Profis von der World Series of Poker ihre Chips in die Mitte schoben, legten, oder warfen (der Stil ist hier ja sehr individuell). Die Proband/innen sollten anhand dieser kurzen Videosequenzen einschätzen, wie gut das Blatt war, das die Pokerspieler/innen zu diesem Zeitpunkt in der Hand hielten. Variiert haben die Forscher/innen hierbei lediglich, welcher Körperteil im Fokus ihrer Videosequenzen stand: Entweder sahen die Proband/innen den ganzen Körper eines Spielers, nur das Gesicht oder nur den Arm, mit dem die Chips bewegt wurden.
Die Vorhersage eines Pokerblatts mit Blick auf den ganzen Körper war nicht besser als der Zufall. Die Proband/innen waren ja auch keine Profis. Der Fokus aufs Gesicht führte interessanterweise zu schlechteren, genau gegenläufigenEinschätzungen des Blatts eines Spielers – das Pokerface funktionierte also: Profis führen außenstehende Betrachter/innen erfolgreich in die Irre. Bei schlechten Karten sagten diese „gut“, bei guten tippten sie eher auf „schlecht“. Ein Blick auf die Hände allerdings entlarvte selbst die Profis: So gelang es selbst Laien, Studierende aus den USA, die Profis zu enttarnen und die Qualität des Blatt zu enttarnen.
Stellt sich natürlich die Frage, warum das so sein soll. Die Autor/innen argumentieren, dass körperliche Aufregung die Gleichmäßigkeit unserer Bewegungen stört. Sie sprechen von „smoothness of motion“. In der Tat gelang es Studierenden auch besonders gut, starke Blätter von schwachen zu unterscheiden, wenn sie lediglich die Gleichmäßigkeit von Bewegungen und nicht die Güte eines Blattes einschätzen sollten.
Lassen Sie also bei der nächsten Pokerrunde die verspiegelte Sonnenbrille getrost zu Hause, schauen Sie Ihren Freund/innen beruhigt ins Gesicht. Aber verpassen Sie nicht den Moment, in dem Ihr Gegenüber seine Chips bewegt. Schauen Sie dann ganz genau hin – aber nicht ins Gesicht sondern auf die Poker-Hände! Eine allzeit gute Hand wünscht das InMind-Team.
* Name aus Anonymitätsgründen geändert.
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