Politische Polarisierung: Sind wir wirklich so gespalten, wie wir denken?
Im Zeitalter von Social Media scheint politische Polarisierung allgegenwärtig. Kaum eine Aussage bleibt unkommentiert auf Plattformen wie Twitter oder Facebook. In Kommentarspalten kann schnell der Eindruck entstehen, dass Unterstützende anderer politischer Strömungen stark negative Meinungen bezüglich der Gruppe haben, der man selbst angehört. Aber ist das wirklich so?
Das ist wichtig zu wissen – denn unsere persönlichen Meinungen über Mitmenschen werden nicht so sehr davon bestimmt, wie diese tatsächlich denken, sondern vor allem von unserer eigenen Gedanken darüber, wie jene wohl denken. Diese Vorstellungen, sogenannte Metaperzeptionen oder auch Metawahrnehmungen, sind allerdings oft gar nicht so akkurat.
In den USA überschätzen Konservative (RepublikanerInnen) die Zustimmung oder Ablehnung von Liberalen (DemokratInnen) bezüglich politischer Handlungen der Konservativen und vice versa (Lees & Cikara, 2020). Beispielsweise wurden liberal eingestellte Personen gebeten, einzuschätzen, wie ein von Liberalen vorgeschlagenes Verbot anonymer politischer Spenden, welches Konservative benachteiligen würde, von konservativ eingestellten Personen wahrgenommen wird. Hier zeigte sich, dass Liberale überschätzen, wie negativ Konservative einem solchen Verbot gegenüberstehen. Um herauszufinden, ob dieses Phänomen auch in anderen Kulturen und Staaten auftritt (besonders auch in solchen, wo kein Zwei-Parteien-System vorherrscht), haben Ruggeri und KollegInnen (2021) Experimente zu Metaperzeptionen mit regionalen Anpassungen in 26 Ländern - darunter auch Deutschland, Österreich, und die Schweiz - wiederholt. Tatsächlich überschätzen Menschen von 25 dieser Länder, wie negativ politische Handlungen ihrer eigenen Gruppe von anderen Gruppen wahrgenommen werden.
Was kann man also tun, um solchen Fehleinschätzungen entgegenzuwirken und Missverständnisse zu vermeiden? Die gute Nachricht: Anschließende Experimente der Studie in zehn Ländern (einschließlich Deutschland) zeigten, dass die inakkuraten Metaperzeptionen maßgeblich verbessert werden können - indem Menschen darüber informiert werden, wie andere Gruppen tatsächlich denken. Es lohnt sich also, nachzufragen, wie man wirklich wahrgenommen wird - oder klarzustellen, wie man die Position anderer wahrnimmt.
Quellen:
Lees, J., & Cikara, M. (2020). Inaccurate group meta-perceptions drive negative out-group attributions in competitive contexts. Nature Human Behaviour, 4(3), 279–286. https://doi.org/10.1038/s41562-019-0766-4
Ruggeri, K., Većkalov, B., Bojanić, L., Andersen, T. L., Ashcroft-Jones, Ayacaxli, N., Barea-Arroyo, P., Berge, M. L., Bjørndal, L. D., Bursalıoğlu, A., Bühler, V., Čadek, M., Çetinçelik, M., Clay, G., Cortijos-Bernabeu, A., Damnjanović, Dugue, T. M., Esberg, M., Esteban-Serna, C., ... Folke, T. (2021). The general fault in our fault lines. Nature Human Behaviour. https://doi.org/10.1038/s41562-021-01092-x
Bildquelle:
Autor*innen
Artikelschlagwörter
Blog-Kategorien
- Corona (27)
- Für-Kinder (0)
- In-eigener-Sache (8)
- Interviews (11)
- Rechtspsychologie (24)
- Sozialpsychologie (214)
- Sportpsychologie (37)
- Umweltpsychologie (22)