Synchronizität schweißt zusammen

Marschieren, gemeinsames Singen und Volkstanz – in unterschiedlichen Organisationen und Kulturen gibt es Rituale, bei denen sich Menschen synchron betätigen. Wissenschaftler erforschten die psychologische Wirkung von synchronem Verhalten.

Auf der ganzen Welt trainieren Armeen, im Gleichschritt zu marschieren. Der kriegstechnische Nutzen dieser Aktivität ist heutzutage höchst fragwürdig. Doch vielleicht hat die Synchronizität, die sich auch durch gemeinsames Singen oder Tanzen ergibt, einen nützlichen psychologischen Effekt. In der Soziologie und Anthropologie wird schon lange vermutet, dass synchrones Verhalten den Gruppenzusammenhalt und die Kooperationsbereitschaft fördert. Die Psychologen Wiltermuth und Heath haben vor einigen Jahren diese These empirisch getestet.

Sie ließen eine Gruppe von drei UntersuchungsteilnehmerInnen über den Campus der Universität Standford laufen. In einer Untersuchungsbedingung sollte das Dreiergrüppchen im Gleichschritt marschieren, in der Kontrollbedingung spazierte die Gruppe ohne Vorgaben. Im Anschluss wurde ein Kooperationsspiel gespielt, bei dem sich die Teilnehmenden für ein größeres oder kleineres Ausmaß an Kooperation entscheiden konnten.  Tatsächlich war bei den marschierenden Kleingruppen mehr Kooperation zu beobachten.

In zwei weiteren Studien erfolgte eine genauere Untersuchung des Effekts. Hier hörten die UntersuchungsteilnehmerInnen eine bekannte Hymne über Kopfhörer und sollten diese mitsingen und dabei eine Tasse im Rhythmus der Musik schwenken. Wenn die Musik für die verschiedenen UntersuchungsteilnehmerInnen in unterschiedlichen Tempi dargeboten wurde und die Personen somit asynchron sangen und Tassen schwenkten, konnte keine gesteigerte Kooperationsbereitschaft mehr beobachtet werden – die Synchronizität hatte also die entscheidende Wirkung auf die Kooperationsbereitschaft. Es zeigte sich weiterhin, dass bereits synchrones Singen ausreicht, um gesteigerte Kooperation zu erzeugen. Zusätzliche synchrone Bewegungen (Schwenken der Tassen) erbrachten keine Steigerung mehr.

Die Autoren diskutieren, dass der Effekt der gesteigerten Kooperationsbereitschaft – bewusst oder unbewusst – zum Vorteil der Gruppe (z.  B. einer Kompanie) eingesetzt wird. Ohne dieses verbindende Element kommt es häufig dazu, dass sich Individuen in einer Gruppe wenig engagieren (der sogenannte „free-rider Effekt“). Eine Person schont dabei ihre eigenen Ressourcen und hofft, von der Gruppe „getragen“ oder „ausgehalten“ zu werden. Zeigen die Gruppenmitglieder jedoch synchrones Verhalten und steigern somit ihre Kooperationsbereitschaft, könnte das den free-rider Effekt aufheben.

Quelle:

Wiltermuth, S. S. & Heath, C. (2009). Synchrony and cooperation. Psychological Science, 20, 1-5.