Unschuldig verurteilt
Spektakuläre Fälle von Fehlurteilen deuten darauf hin, dass Fehler in der Justiz dazu führen, dass Unschuldige im Gefängnis landen. Doch wie häufig kommen solche Justizirrtümer vor und wie geht der Staat damit um?
Justizirrtümer standen in den vergangenen Jahren immer wieder im Mittelpunkt des Medieninteresses. Da war zum Beispiel der Fall des vermissten Bauern Rupp, in dem vier Familienmitglieder zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, basierend auf falschen Geständnissen. Oder der Fall des Lehrers Horst Arnold, der fünf Jahre im Gefängnis saß für eine Vergewaltigung, die er nicht begangen hatte. Ungewiss ist, wie häufig Justizirrtümer in Deutschland vorkommen, denn diese werden nicht in den offiziellen Statistiken erfasst. Die einzigen verfügbaren empirischen Daten stammen von einer Studie von Karl Peters aus den Siebzigerjahren. Die Ergebnisse zeigten, dass über eine Zeitspanne von zehn Jahren 1.115 begründete Wiederaufnahmeverfahren (wobei ein Verfahren neu aufgerollt wird und das ursprüngliche Urteil aufgehoben wird) in Gang gesetzt wurden. Dies deutet auf ca. 100 Fehlurteile im Jahr hin. Auch wenn wir nicht wissen, inwiefern sich diese Ergebnisse auf die heutige Situation übertragen lassen, ist gewiss, dass Fehler in der Justiz immanent sind.
In den Vereinigten Staaten unterstützt das in New York ansässige Innocence Project Menschen, die unschuldig verurteilt wurden (www.innocenceproject.org). Bis heute wurden 344 Fehlurteile mithilfe von DNS-Beweisen aufgehoben. Als größte Gefahrenquellen werden irrende Augenzeug*innen und falsche Geständnisse genannt. Ähnliche Institutionen bestehen auch in den Niederlanden (www.projectgeredetwijfel.nl) und Großbritannien (www.innocencenetwork.org.uk). In Deutschland jedoch fehlt eine vergleichbare Organisation, die Opfern von Justizirrtümern hilft und sich mit den Ursachen von Fehlurteilen auseinandersetzt. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde aber vor kurzem gemacht: Seit dem Frühjahr 2015 wird an der Kriminologische Zentralstelle in Wiesbaden eine Studie durchgeführt, die erfolgreiche Wiederaufnahmeverfahren analysiert.
Quellen:
Darnstädt, T. (2013, April 4). Blind vor der Wahrheit. SPIEGEL ONLINE.
Peters, K. (1970 – 1974). Fehlerquellen im Strafprozess. Eine Untersuchung der Wiederaufnahmeverfahren in der Bundesrepublik Deutschland. 3 Bände. Karlsruhe: Müller.
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