„Wer war der Täter? Können Sie ihn identifizieren?“

„Ich bin mir ganz sicher. Nummer drei da. Der war‘s.“ Aus Film und Fernsehen haben die meisten von uns eine vage Vorstellung davon, wie eine polizeiliche Gegenüberstellung zum Zweck der Identifikation von Täter(innen) abläuft. Wie aber sollte eine Gegenüberstellung nach psychologischen Erkanntnisses idealerweise gestaltet sein, um möglichst häufig die tatsächlichen Täter(innen) und möglichst selten unschuldige Verdächtige zu identifizieren?

Durch DNA-Beweise wurden nachträglich Verurteilungen unschuldiger Personen aufgedeckt. Genauere Analysen ergaben, dass diese oft auf Zeugenidentifikationen beruhten (Wells, Malpass, Lindsay, Fisher, Turtle, & Fulero, 2000). Wie lassen sich Zeugenidentifikationen verbessern? Dieser Frage gingen in den 1990ern im Auftrag des US-Justizministeriums das Forscherteam um Wells mit Staatsanwälten und -anwältinnen, Verteidigern und Verteidigerinnen sowie Polizisten und Polizistinnen nach, um auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen Richtlinien für die Durchführung von Gegenüberstellungen zu erarbeiten.

Bei Gegenüberstellung werden Zeugen Tatverdächtige gemeinsam mit Unschuldigen gezeigt. Die Zeugen werden gefragt, ob sie den Täter/die Täterin identifizieren können. Wie gut Zeugen dies können, hängt zum einen von den Bedingungen bei der Tat ab. Zeugen können zum Beispiel einen Täter/eine Täterin nicht so gut identifizieren, wenn er oder sie eine Waffe zieht, da sie dann mehr Aufmerksamkeit auf diese Waffe richten als auf die Person (z. B. Kramer, Buckhout & Eugenio, 1990).

Zum anderen hängt die Identifikationsleistung davon ab, wie Gegenüberstellungen durchgeführt werden. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sollte vor allem Folgendes berücksichtigt werden. Um zu vermeiden, dass Verdächtige bei der Gegenüberstellung herausstechen, sollten die gezeigten Unschuldigen der vorher von den Zeugen gegeben Täterbeschreibung entsprechen. Des Weiteren sollten die Zeugen darauf hingewiesen werden, dass der eigentliche Täter/die eigentliche Täterin sich möglicherweise nicht in der Gegenüberstellung befindet, wenn also die Polizei eine(n) Unschuldige(n) verdächtigt. Ohne diesen Hinweis nehmen Zeugen oft an, dass der Täter/die Täterin anwesend ist und wählen die Person, die ihm/ihr am ähnlichsten sieht. Die einzelnen Personen bei einer Gegenüberstellung sollten auch nicht gemeinsam, sondern nacheinander präsentiert werden bis Zeugen in einer Person den Täter/die Täterin erkennen oder alle gezeigt wurden. Sonst neigen Zeugen dazu, die Person zu wählen, die dem Täter/der Täterin im Vergleich zu den anderen am ähnlichsten sieht. Außerdem sollte Zeugen nach der Gegenüberstellung kein Feedback erhalten. Feedback beeinflusst im Nachhinein die Einschätzung ihrer Sicherheit bei der Identifikation. Insbesondere Richter/innen legen auf die angegebene Sicherheit viel Wert. Mit Feedback spiegelt diese Angabe nicht mehr die tatsächliche Sicherheit während der Identifikation wider.

All diese wissenschaftlich psychologischen Befunde haben in den letzten Jahren Eingang in den Justizalltag gefunden und so hat psychologische Forschung ihren Beitrag dazu geleistet, häufig die tatsächlichen Täter(innen) und selten unschuldige Verdächtige zu identifizieren.

Quellen:

Kramer, T. H., Buckhout, R. & Eugenio, P. (1990). Weapon focus, arousal, and eyewitness memory. Law and Human Behavior, 14, 167-184

Wells, G. L., Malpass, R. S., Lindsay, R. C., Fisher, R. P., Turtle J. W. & Fulero, S. M. (2000). From the lab to the police station. A successful application of eyewitness research. American Psychologist, 55, 581-598.