Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum – Wer nicht fragt, bleibt dumm?
„Hat die Person eine Brille?“, „Ist es Thilo?“ – Wer kennt es nicht, das Spiel „Wer ist es?“ (engl. „20-questions game“). Bei diesem Spiel soll man mit möglichst wenigen Fragen, die mit ja oder nein beantwortet werden können, herausfinden, welche Person gesucht ist. Während Fragespiele für viele Kinder (und Erwachsene) oft ein lustiger Zeitvertreib sind, werden ähnliche Spiele auch zur Untersuchung von prädezisionalen Prozessen, vor allem der Informationssuche, genutzt.
Welche Art von Fragen stellen Kinder unterschiedlichen Alters? Diese Forschungsfrage beschäftigt die Entwicklungspsychologie bereits seit den 1960er Jahren (Mosher & Hornsby, 1966). Demnach können unterschiedliche Fragetypen unterschieden werden: Es gibt sowohl Fragen, die spezifische, einzelne Hypothesen testen (z. B. „Ist es Thilo?“), als auch Fragen, die sich auf Eigenschaften beziehen, die zwischen mehreren Objekten differenzieren, sogenannte begrenzende Fragen (z. B. „Hat die Person eine Brille?“). Während hypothesentestende Fragen meist wenig effektiv sind, führen den Suchraum eingrenzende Fragen dazu, dass man mehrere Personen (oder Objekte) auf einmal ausschließen kann. Entwicklungspsychologisch konnte gezeigt werden, dass sich die Art und Weise, Fragen zu stellen, im Alter von sechs bis elf Jahren verändert: Während jüngere Kinder häufiger hypothesentestende Fragen verwenden, stellen ältere Kinder vermehrt eingrenzende Fragen (Mosher & Hornsby, 1966).
Interessanterweise konnte auch gezeigt werden, dass Kinder bereits ab einem Alter von acht Jahren in der Lage sind, strategisch Fragen zu stellen. Konkret haben die ForscherInnen Gesichter in „Wer ist es?“ so manipuliert, dass unterschiedliche Fragen geholfen haben schneller herauszufinden, welche Person gesucht war (Nelson, Divjak, Gudmundsdottir, Martignon & Meder, 2014): Die Verteilung der Gesichter, aus denen eines gesucht wurde, war entweder repräsentativ für die reale Welt, indem jeweils ca. 50 % Frauen- und Männergesichter abgebildet waren (d. h. die Frage nach dem Geschlecht war die beste erste Frage) oder die Verteilung war nicht repräsentativ, sondern bestand aus ca. 90 % Männer- und 10 % Frauengesichtern (d. h. in dem Fall war nicht die Frage nach dem Geschlecht die beste erste Frage, sondern die Frage, ob die Person einen Bart habe). In beiden Fällen waren ViertklässlerInnen im Alter von acht bis zehn Jahren in der Lage zu erkennen, welche die nützlichste, erste Frage war. Die Nützlichkeit der ersten Frage war jedoch höher in der repräsentativen als in der nicht repräsentativen Umwelt (Nelson et al., 2014). Diese Ergebnisse und die ähnlicher Studien (z. B. Ruggeri & Lombrozo, 2014) zeigen, dass Kinder erfahrungsbasiert Fragen stellen und diese adaptiv an die Welt anpassen, in der sie agieren. Für Menschen, die mit Kindern interagieren, wie vor allem Eltern, ErzieherInnen, LehrerInnen oder auch JugendtrainerInnen, bedeuten die Ergebnisse, dass sie die Fragen, die Kinder stellen, nutzen können, um deren Erfahrungswelt und Annahmen über die Beschaffenheit der Welt zu verstehen.
Quellen:
Mosher, F. A., & Hornsby, J. R. (1966). On asking questions. In J. S. Bruner, R. R. Olver, & P. M. Greenfield (Eds.), Studies in cognitive growth (pp. 86-102). New York, NY: Wiley.
Nelson, J. D., Divjak, B., Gudmundsdottir, G., Martignon, L. F., & Meder, B. (2014). Children's sequential information search is sensitive to environmental probabilities, Cognition, 130(1), 74-80. doi: 10.1016/j.cognition.2013.09.007
Ruggeri, A., & Lombrozo, T. (2014). Learning by asking: How children ask questions to achieve efficient search. In P. Bello, M. Guarini, M. McShane, & R. Scassellati (Eds.), Proceedings of the 36th Annual Conference of the Cognitive Science Society (pp. 1335-1340).Austin, TX: Cognitive Science Society.
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