Zeuge/in geworden? Do it yourself: Wie Zeugen/innen sich selbst vernehmen können

Direkt nach der Tat entdecken Ermittler/innen Fingerabdrücke und Blutspuren am Tatort, die von Täter/in stammen könnten. Es vergehen jedoch zwei Wochen, bis Krimimaltechniker/innen diese Spuren sicherstellen. Wer würde jetzt noch erwarten, etwas Verwertbares zu finden? Was einem im Umgang mit solchen physischen Beweismitteln Spanisch vorkommt, ja undenkbar scheint, ist bei Zeugenaussagen Alltag. In diesem Blog stellen wir eine neue Methode vor, die gewährleisten kann, dass Zeugenaussagen frühzeitig aufgezeichnet werden.

Tatsächlich werden Zeugen/innen aufgrund von zeitlichen und personellen Engpässen bei der Polizei vielfach erst Tage oder Wochen nach der Tat vernommen. Dann werden sich Copyright am Bild: Alana KrixZeugen/innen zwar noch grob an das Delikt erinnern können, aber wohl nicht mehr an genaue Details, wie zum Beispiel Autokennzeichen, die sehr schnell vergessen werden. Es sind aber gerade solche Details, die für die Tataufklärung meistens am wichtigsten sind. Vergessenes ist für die Ermittlungen genauso verloren wie Fingerabdrücke, die vor ihrer Sicherstellung verwischt wurden. Daher sollten die Erinnerungen von Zeugen/innen genauso behandelt werden wie physische Beweismittel – sie sollten direkt nach der Tat gesichert, das heißt im Rahmen einer Vernehmung aufgenommen werden.

Was aber tun, wenn dies aufgrund begrenzter polizeilicher Ressourcen nicht möglich ist? Mithilfe des Eigenständigen Vernehmungsprotokolls für Augenzeugen (EVA; Englisch: Self-Administered Interview; Hope, Gabbert & Fisher, 2011; Krix & Sauerland, 2011) können Zeugen/innen sich selbst vernehmen. Dieses Vernehmungsprotokoll wird den Zeugen/innen noch am Tatort ausgeteilt, wo sie es völlig eigenständig schriftlich ausfüllen und sich sozusagen unter Anleitung selbst vernehmen. EVA enthält verschiedene Instruktionen (z. B. sich das Ereignis bildlich vorzustellen), welche die Erinnerungsleistung nachweislich verbessern. Es ist für alle Deliktarten geeignet und besteht aus verschiedenen Abschnitten, in denen die Zeugen/innen den Tathergang, die Täter/innen, mögliche beteiligte Fahrzeuge, weitere Zeugen/innen sowie die Wahrnehmungsbedingungen beschreiben. Außerdem werden die Zeugen/innen gebeten, eine Skizze vom Tatort zu erstellen. Die Evaluation des Instruments ist positiv: EVA ermöglicht direkt nach der Tat die Abgabe einer umfangreichen und qualitativ hochwertigen Aussage, die dann zu Fahndungszwecken verwendet werden kann. Außerdem hat sich gezeigt, dass Zeugen/innen, die zuvor EVA bearbeitet haben, sich in einer späteren Vernehmung besser erinnern können. EVA konserviert also die Erinnerungen der Zeugen/innen für die spätere persönliche Vernehmung. Somit dient es der Polizei als Unterstützung bei den Ermittlungen. Das Verfahren wird von der Polizei bereits erfolgreich in Großbritannien, Norwegen und den Niederlanden eingesetzt. Vielleicht bald auch in Deutschland – in Hessen laufen derzeit Testversuche.

Quellen:

Hope, L., Gabbert, F. & Fisher, R. P. (2011). From laboratory to the street: Capturing witness memory using the Self-Administered Interview. Legal and Criminological Psychology, 16, 211-226. doi:10.1111/j.2044-8333.2011.02015.x

Krix, A. C. & Sauerland, M. (2011). Das Eigenständige Vernehmungsprotokoll für Augenzeugen: Ein neues Verfahren, mit dem Zeugen sich selbst vernehmen können. Polizei und Wissenschaft, 4/2011, 30-35.

 www.selfadministeredinterview.com