All have won and all must have prices – oder doch nicht? Alice im Psychotherapiedschungel

Soll ich eine Psychotherapie machen oder nicht? Und wenn ja welche? Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundiert, kognitive Verhaltenstherapie und andere – vom Schulenstreit zur Integration. Wo befinden wir uns eigentlich heute auf diesem langen Weg und was trägt die Psychotherapieforschung bei?

Bild von Dodo-Bird via morgueFiledodo von drotmalac via morguefile.com (https://morguefile.com/p/130884), Lizenz: morguefile (https://morguefile.com/license)

Dass Psychotherapien (PT) helfen erscheint heutzutage unumstritten, zumindest spricht die Tatsache, dass Krankenkassen die Leistung abrechnen, dafür. Zusätzlich dazu sind subjektive Befunde, von Betroffenen, die psychotherapeutisch behandelt wurden, anzuführen, die in den meisten Fällen ebenfalls ein positives Bild zeichnen. Warum gibt es dann überhaupt Psychotherapieforscher, wenn doch längst bewiesen ist, dass PT wirkt?

Die erste Welle der Forschungsaktivität in diesem Bereich wurde Anfang der 50er durch Hans Eysencks provokante These, dass PT nicht wirksamer als Spontangenesung sei, ausgelöst. Viele folgende Studien konnten im Rahmen der Legitimationsphase daraufhin belegen, dass PT deutlich wirksamer ist, als von Eysenck zunächst behauptet. Die Effektstärke von Psychotherapie liegt durchschnittlich bei .8 – übersetzt heißt das, dass ca. 68% der behandlten Patienten von einer Therapie profitieren. Nach der Legitimationsphase folgte schnell die Konkurrenzphase, d.h. die Forschung ging von nun an der Frage nach, ob bestimmte Therapieansätze wirksamer seien als andere. Unterschiedliche Studien kamen hier zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen, z.B. verfassten Luborsky, Singer und Luborsky 1975 eine Übersichtsarbeit mit dem Ergebnis, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Therapieansätzen gäbe – all had won and all must have prices. Ungefähr 20 Jahre später veröffentlichten Grawe, Donati und Bernauer (1994) eine Metaanalyse zur Überprüfung von Wirksamkeitsunterschieden, deren Ergebnis deutlich zugunsten der kognitiv-behavioralen Therapie ausfiel. Dieser Studie folgten heiße - auch berufspolitische genährte – Diskussionen, nicht nur auf der Ebene des Fachpublikums. Allerdings war sie auch Auslöser für viele Nachfolgestudien. Heute ist man sich zumindest darüber einig, dass unterschieden werden muss zwischen spezifischen Wirkfaktoren, die abhängig sind von der jeweiligen Therapierichtung und unspezifische Faktoren, welche über alle Therapieformen hinweg gegeben sind - wie z.B. der Therapiebeziehung - die einen großen Teil der Effekte erklären.

Aktuelle Trends in der Psychotherapieforschung sind z.B. die Untersuchung solcher allgemeinen, übergreifenden Bestandteile von Psychotherapien, die Herausarbeitung von störungsspezifischem Wissen und die individuumsorientierte PT-Forschung. Letztere beschäftigt sich z.B. mit der Frage, ob eine Behandlung, die „dem durchschnittlichen Patienten“ hilft, auch für einen ganz bestimmten Patienten unter ganz bestimmten Bedingungen erfolgreich ist und wie die Therapie individuell angepasst werden kann, um auch im Einzelfall möglichst erfolgreich zu sein. Dies ist sicherlich, vor allem vor dem Hintergrund von aktuell ca. 450 verschiedenen Therapieansätzen, ein vernünftiges Vorgehen und trägt sehr dazu bei, bereits wirksame Verfahren auf ein sicheres Fundament zu stellen und dabei die Qualitätssicherung nicht aus dem Auge zu verlieren. Ein Vorgehen, was sicher auch dem Dodo-Bird gefallen hätte!

Quellen: