Contenance – Haben es Berühmtheiten einfacher, sich selbst zu kontrollieren?

Sich selbst kontrollieren zu können, den kleinen Versuchungen des Alltags zu Gunsten höherer Ziele zu widerstehen, das ist eine hohe Kunst. Zwar lässt sich Selbstregulationsfähigkeit bis zu einem gewissen Grad trainieren, dennoch gibt es stabile Persönlichkeitsunterschiede zwischen Menschen. Wer sich viel im öffentlichen Raum bewegt und von anderen Menschen beobachtet wird, könnte einen Startvorteil für erfolgreiche Selbstregulation haben.

Mal wieder nicht an der Keksdose vorbeigekommen? Sich’s bei der Kollegin durch eine zwar treffende, aber unpassende Bemerkung verspielt? Jede/r kennt Situationen, in denen man sich im Nachhinein gewünscht hätte, dem inneren Schweinehund nicht nachgegeben zu haben – ein Erfolg der Selbstregulation. Selbstregulation beschreibt die Bemühungen einer Person, Gedanken, Emotionen und Verhalten auf das Erreichen eines Zielzustands hin auszurichten (Carver & Scheier, 1998). Das Ziel abzunehmen könnte beispielsweise dazu führen, den Verführungen der Keksdose zu widerstehen und sie links liegen zu lassen. Ein Faktor, der Selbstregulation begünstigt, ist die Anwesenheit anderer Personen (Hofmann, Baumeister, Förster & Vohs, 2012). Die Wahrnehmung einer Diskrepanz zwischen eigenen Zielen und tatsächlichem Verhalten führt zu einem unangenehmen Gefühl (kognitive Dissonanz), das stärker empfunden wird, wenn andere Personen anwesend sind.Dies führt dazu, dass Menschen stärker auf die Übereinstimmung ihrer Ziele und Standards mit ihrem tatsächlichen Handeln achten, wenn sie von anderen beobachtet werden. Interessanterweise ist dies sogar dann der Fall, wenn die Zuschauer/innen gar nicht anwesend, sondern nur vorgestellt sind.

Demnach haben Menschen eine größere Chance, sich gemäß ihrer eigenen Ziele und Standards zu verhalten, wenn sie unter ständiger Beobachtung stehen (oder sich so fühlen). Dies gilt beispielsweise für Politiker/innen oder andere Personen des öffentlichen Lebens. Es ist sogar denkbar, dass ein stetiges Gefühl des Beobachtet-Werdens zu einer Automatisierung von Selbstregulationsprozessen und damit einer dauerhaft guten Selbstregulation führt. Man denke beispielsweise an die Mitglieder der Familie de Maizière, die über Generationen in Politik und Gesellschaft hohe Positionen einnahmen. Konkrete Untersuchungen, ob Personen des öffentlichen Lebens über besonders hohe Selbstregulationsfähigkeitenverfügen, gibt es bislang nicht. Bis diese vorliegen, mag es jedoch helfen, sich in mögliche Versuchungssituationen hineinzuversetzen und zu überlegen, wie man handeln würde, wenn einem die eigene Mutter über die Schulter schauen würde – und sich damit in Contenance zu üben.

Quellen:

Carver, C. S. & Scheier, M. F. (1998). On the self-regulation of behavior. New York, NY: Cambridge University Press.

Hofmann, W., Baumeister, R. F., Förster, G. & Vohs, K. D. (2012). Everyday temptations: An experience sampling study of desire, conflict, and self-control. Journal of Personality and Social Psychology, 102, 1318-1335.