Das In-Mind WM-Special: Fußball mit Köpfchen

Wenn Müller, Kroos und ihre Teamkollegen ihre Gegner rasant umdribbeln oder das Tor mit einem galanten Fallrückzieher treffen, ist es offensichtlich: Fußballprofis brauchen nicht nur eine überdurchschnittliche körperliche, sondern auch geistige Fitness, um erfolgreich zu sein. Schwedische ForscherInnen haben genauer untersucht, was diese sogenannte “Game Intelligence” ausmacht. Ihre Erkenntnisse wollen sie dafür nutzen, junge Talente noch besser zu identifizieren.

Bild 1: Fußball, der geschossen wirdBild 1: Fußball, der geschossen wirdWas macht eine(n) gute(n) FußballerIn aus? Die Antwort auf diese Frage fällt TrainerInnen vor allem deswegen schwer, weil neben Schnelligkeit und einer guten Koordination noch ein dritter Faktor die Leistung eines/-r FußballerIn entscheidend beeinflusst: die sogenannte Game Intelligence - die Fähigkeit, sich im dynamischen Mannschaftsspiel perfekt einzufinden, stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Doch Game Intelligence zu messen, ist schwer. Lange blieb unklar, welche kognitiven Fähigkeiten ihr überhaupt zugrunde liegen. 2012 lieferten ForscherInnen vom schwedischen Karolinska-Institut jedoch eine vielversprechende Erklärung. Sie stellten die Vermutung an, dass es seine/ihre sogenannten exekutiven Funktionen sind, die eine(n) FußballerIn mehr oder weniger intelligent spielen lassen. Unter exekutiven Funktionen versteht man in der Psychologie eine Reihe von mentalen Fähigkeiten, die unser Handeln und Denken steuern – etwa kreatives Problemlösen oder das flexible Wechseln zwischen verschiedenen Handlungen. Gefragt sind diese übergeordneten Kontrollfunktionen vor allem dann, wenn man abwägt, wie man eine neue und/oder stressige Situation bewältigen kann.

So auch bei einem Fußballspiel: Hier müssen die AthletInnen in kürzester Zeit und unter mentaler Anspannung riesige Informationsmengen verarbeiten. Immer müssen sie zum Beispiel im Blick behalten, wer gerade am Ball ist, und, wohin der nächste Pass zielen könnte. Alle paar Sekunden fällen sie spielbestimmende Entscheidungen und müssen diese im Kontext des weiteren Spielverlaufs neu bewerten. Wem das akkurat, schnell und trotzdem kreativ gelingt, dem erschließt sich auch das Spiel besser. Der kann den Spielverlauf besser antizipieren. Und der schafft es eher in die Profi-Liga, so die Hypothese der schwedischen Forschenden.

Und tatsächlich scheint etwas dran zu sein. In der 2012 publizierten Studie testeten die ForscherInnen männliche und weibliche Fußballprofis aus der ersten, zweiten und dritten schwedischen Liga in verschiedenen exekutiven Funktionen. Obwohl die verwendeten Testverfahren augenscheinlich so gar nichts mit Fußball am Hut haben, schnitten die Profis alle besser ab als der Durchschnitt - die ErstligistInnen jedoch am allerbesten. Zudem ließ sich anhand der Ergebnisse ihr Erfolg in der folgenden Saison vorhersagen. Wer in den psychologischen Testverfahren Kreativität und Flexibilität unter Beweis stellte, schoss auch die meisten Tore und lieferte mehr Torvolagen für seine KollegInnen.

Das Forscherteam vom Karolinska-Institut hofft, dass die Ergebnisse in der Praxis bald Anwendung finden. Bisher schauen Talentscouts sich nur die körperlichen Voraussetzungen und die Ballsicherheit der SpielerInnen an, um zu bewerten, für wen sich Frühförderung lohnt. Wer bei der körperlichen Entwicklung spät zündet, hat deshalb kaum eine Chance. Aber dass man aufgrund dieser diagnostischen Lücke einen neuen Müller oder Kroos übersieht, will wohl im Hinblick auf zukünftige Weltmeisterschaften kein Fan riskieren.

Literaturverzeichnis

Vestberg, T., Gustafson, R., Maurex, L., Ingvar, M., & Petrovic, P. (2012). Executive functions predict the success of top-soccer players. PloS one; 7(4)

Bildquelle

Bild 1: Edoardo Busti via Unsplash , CC