Den Kapitalismus im Visier – Machen Märkte unmoralisch?

Die Diskussion, ob  der Verfall moralischer Werte durch Interaktionen an Märkten vorangetrieben wird ist so alt, wie der Kapitalismus selbst. Im Rahmen der immer noch aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise werden zunehmend Stimmen laut, die eine Bändigung von sich zunehmend verselbstständigenden Marktmechanismen einfordern. Aber ist das denn so? – befördern Marktinteraktionen tatsächlich unmoralisches Verhalten?

krueger_blog2_bydeserteagleviawikimediacommonsParkett-Boerse in Ffm von Dontworry via Wikimedia Commons (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/08/Deutsche-boerse-parkett-ffm003.jpg), cc (https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/)Zwei Wissenschaftler von den Universitäten Bonn und Bamberg sind der spannenden Frage experimentell auf den Grund gegangen, wie Marktinteraktionen Entscheidungen zulasten Dritter beeinflussen. Mit dem sogenannten „Maus Paradigma“ haben sie untersucht ab welchem Geldbetrag Versuchspersonen dazu bereit sind das Leben einer Maus zu opfern: Wieviel Geld muss man jemanden bieten, damit dieser zustimmt, dass eine Maus umgebracht wird?

Wesentlich war dabei, dass die Versuchspersonen ihre Entscheidungen entweder individuell, über einen bilateralen Markt, oder über einen multilateralen Markt treffen mussten. Der entscheidende Unterschied zwischen diesen Bedingungen lag in der Anzahl der involvierten Marktteilnehmer: Während in der individuellen Entscheidung lediglich eine einzelne Versuchsperson über die Maus entschied, ging es bei bi- und multilateralen Märkten stets um Entscheidungen mindestens zweier Interakteure, die miteinander in Verhandlung standen.

Das zentrale Ergebnis ist so eindrücklich wie frappierend: Während nur 45.9% aller individuellen Akteure bereit sind ihre Maus für 10€ zu opfern, stimmen 72.2% bzw. 75.9% aller Versuchspersonen unter bi- und multilateralen Marktbedingungen einer solchen Entscheidung zu. Die Autoren schließen daraus, dass Marktinteraktionen die Sensitivität gegenüber Schäden an Dritten (in diesem Fall: der Maus) verringern, weil die Verantwortlichkeit des einzelnen weniger deutlich ist.

Quelle:

Falk, A., & Szech, N. (2013). Morals and Markets. Science, 340(6133), 707-711.