Du bist so viel mehr wert als ein Leben hinter Gittern

„Ich habe eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten erhalten und danach habe ich es schwer gehabt, Arbeit zu finden. Man hat aber immer eine andere Wahl und diese musst du finden. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens hinter Gittern verbracht und du bist so viel mehr wert als das“, rät William, ein Häftling des Gefängnissystems Maine, seinem früheren Ich. Im Rahmen eines Kunstprojekts schrieb er einen Brief an sein vergangenes Selbst (Bell, 2013; Übersetzung durch die Autorin). Wenn Gefangene nach der Haft mit Problemen wie Schwierigkeiten Arbeit zu finden konfrontiert werden, welche Bedeutung hat dann ihre Einstellung dafür, ein Leben ohne neue Straftaten zu meistern?

Nach der Haftentlassung begehen viele ehemalige Gefangene erneut Straftaten (Cuppelditch & Evans, 2005). Dies mag wenig verwundern, da sie mit zahlreichen Problemen wie Arbeitslosigkeit, Finanzproblemen, Drogenanhängigkeit und geschädigten familiären Beziehungen fertig werden müssen. Konfrontiert mit solchen Problemen, welche Rolle spielen die Einstellungen der Gefangenen dafür, ihr Leben zukünftig ohne Straftaten zu meistern?

Dieser Frage ging das Forscherteam LeBel, Burnett, Maruna und Bushway (2008) nach. Sie analysierten Daten einer englischen Studie, bei der 130 Häftlinge kurz vor und vier bis sechs Monate nach ihrer Haftentlassung befragt wurden. Hierbei wurden besonders Inhaftierte mit langer krimineller Vergangenheit vor der Haft befragt. Zehn Jahre später wurde anhand des amtlichen Strafregisters überprüft, ob erneute Straftaten vorlagen.

Die Autoren bestätigten, dass soziale Probleme wie Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit, Abhängigkeit und familiäre Probleme das Risiko weiterer Straftaten erhöhten. Jedoch hatten auch die Denkweisen der Gefangenen einen Einfluss auf das Risiko weiterer Straftaten. Waren die Häftlinge kurz vor der Entlassung überzeugt, dass es ihnen wegen der Stigmatisierung als Kriminelle schwer fallen würde, keine Straftaten zu begehen, so hatten sie tatsächlich ein erhöhtes Risiko für weitere Taten. Waren sie hingegen der Meinung, dass ihre Straftaten den dadurch eingehandelten Ärger nicht wert waren und schämten sich dieser, so war das Risiko für weitere Taten geringer. Außerdem fanden die Forscher Belege für indirekte Effekte der Überzeugungen der Häftlinge. Glaubten diese kurz vor Haftentlassung, ein Leben ohne Straftaten zu schaffen, gaben sie vier bis sechs Monate nach der Entlassung durchschnittlich weniger Probleme an, als wenn sie nicht dran glaubten. Möglichweise führte die Überzeugung, ein legales Leben schaffen zu können, zu mehr Ausdauer bei der Arbeitssuche und so zu geringerem Vorhandensein von Problemen. Dies wiederum verringerte das Risiko weiterer Taten.

Um das Rückfallrisiko zu senken, könnte es daher sinnvoll sein, ehemalige Häftlinge bei der Bewältigung ihrer Probleme zu unterstützen und ihnen Hoffnung zu geben, dass sie ein Leben ohne Kriminalität schaffen können.

Quellen:
Bell, T. (2013). Reflect: Convicts’ letters to their younger selves. Trentbellphotography. Retrieved March 2, 2014.

Cuppleditch, L. & Evans, W. (2005). Re-offending of adults: Results from the 2002 cohort. Home Office Statistical Bulletin, 25, 1-27.

LeBel, T. P, Burnett, R., Maruna, S. & Bushway, S. (2008). The ‘chicken and egg' of subjective and social factors in desistance from crime. European Journal of Criminology, 5, 131-159.