Facebookrastrination – oder wie die „Online-Aufschieberitis“ uns unglücklich macht
Wer kennt das nicht: Man hat den Schreibtisch und den Kopf voll mit Arbeit, Stapel von Büchern erinnern an unerledigte Aufgaben der letzten Tage und man weiß, man müsste eigentlich schon längst angefangen haben. Aber nur noch eben schnell den aktuellen Status in „beschäftigt“ ändern, die neueste Facebook-Markierung checken oder das Bild der Freundin liken – das kann ja jetzt nicht schaden. Oder etwa doch?
Viele Menschen tendieren dazu, unangenehme Aufgaben und Entscheidungen aufzuschieben und sich stattdessen kurzfristig mit etwas Angenehmerem zu beschäftigen.Eine solche „Aufschieberitis“,auch Prokrastination genannt, kann zum Beispiel durch die Nutzung allgegenwärtig verfügbarer sozialer Netzwerke wie Facebook entstehen. Man ist oft nur einen Mausklick von der Versuchung entfernt, sich von wichtigeren Aufgaben durch die neuesten Statusmeldungen ablenken zu lassen. Auch wenn die Ablenkung kurzfristig angenehm erscheinen mag, sind die langfristigen Folgen einer solchen „Facebookrastination“ leicht vorstellbar: Überforderung durch zu viele unerledigte Pflichten, Unzufriedenheit und Stress, wenn die Deadline näher rückt.
Genau diesem Problem widmen sich zwei aktuelle Online-Studien der ForscherInnen Meier, Reinecke und Meltzer aus dem Jahr 2016. Die ForscherInnen untersuchten in Stichproben von studentischen Facebook-NutzerInnen, inwiefern die Selbstkontrolle der Studierenden, ihre Facebook-Nutzungsgewohnheiten und ihr Vergnügen bei der Facebook-Nutzung das Hinauszögern von wichtigen Aufgaben durch Facebook und die damit zusammenhängende Überlastung im Studium erklären kann.
Bei der Selbstkontrolle handelt es sich um die Fähigkeit, spontane Impulse für eine langfristige, wichtige Aufgabe unterdrücken zu können. Diese wurde durch die Zustimmung zu Aussagen wie „Ich bin gut darin, Versuchungen zu widerstehen“ gemessen. Inwieweit die Facebook-Nutzung zur Gewohnheit geworden ist bzw. automatisiert erfolgt, wurde durch Aussagen wie „Manchmal öffne ich Facebook, ohne zu merken, was ich gerade tue“ und das Vergnügen bei der Facebook-Nutzung durch Aussagen wie „Ich nutze Facebook, weil es Spaß macht“ erfasst.
Die ForscherInnen fanden in einer ersten Studie heraus, dass (1) je selbstkontrollierter die Studierenden waren, desto weniger zögerten sie ihre Aufgaben für das Studium mit Facebook-Nutzung hinaus, (2) je automatischer bzw. gewohnheitsmäßiger die Studierenden Facebook nutzten, desto eher ließen sie zu erledigende Aufgaben aufgrund der Nutzung warten, (3) je größer das Vergnügen war, welches sie bei der Facebook-Nutzung empfanden, desto wahrscheinlicher schoben sie wichtige Aufgaben durch die Nutzung auf. In einer zweiten Studie konnten die ForscherInnen diese Zusammenhänge wiederholt demonstrieren und zudem die negativen Konsequenzen für das Wohlbefinden von Studierenden aufzeigen. Die Datenlage sprach dafür, dass ein häufiges Aufschieben von wichtigen Aufgaben durch Facebook-Nutzung zu höherem Stress im Studium führt, sich ungünstig auf das allgemeine Wohlbefinden auswirkt und Überforderungzur Folge hat.
Die Kernaussagen der Studien lassen sich wie folgt zusammenfassen: Einerseits bestimmt die Selbstkontrolle einer Person gemeinsam mit einer gewohnheitsmäßigen Facebook-Nutzung und dem empfundenen Vergnügen an Facebook die Stärke der „Facebook-Aufschieberitis“. Diese „Facebook-Aufschieberitis“ wiederum führt zu mehr Stress im Studium und beeinträchtigt das allgemeine Wohlbefinden der Studierenden. Also: Es gehört nicht zuletzt eine große Portion Willensstärke dazu, dem inneren Schweinehund standzuhalten und unangenehme Aufgaben unmittelbar zu erledigen, statt sich in sozialen Netzwerken herumzutreiben. Außerdem sollte man aufpassen, wenn man sich das nächste Mal dabei erwischt, im Autopiloten Facebook zu checken! Eine „Facebook-Diät“ scheint dann eine lohnenswerte Maßnahme, wenn man späterem Stress und Überforderung vorbeugen möchte.
Quelle
Meier, A., Reinecke, L., & Meltzer, C. E. (2016). "Facebocrastination"? Predictors of using Facebook for procrastination and its effects on students' well-being. Computers In Human Behavior, 64, 65-76.
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