Fake News auf Flaschen – saftiger Einfall oder Schnapsidee?

Kurz vor der Bundestagswahl druckt eine bekannte Smoothie-Herstellungsfirma echte und ausgedachte Forderungen der Parteien auf ihre Flaschen. Ist das sinnvolle Aufklärung oder besteht die Gefahr, dass auch die Fake News hängen bleiben? Forschung zum „Truth-Effekt“ birgt möglicherweise die Antwort.

fruit smoothiesEin bekanntes Smoothie-Produktionsunternehmen hat sich anlässlich der Bundestagswahl einen besonderen Marketing-Gag einfallen lassen. Auf (einige) seiner Smoothie-Flaschen wurde nämlich ein kleines “True or False” - Spiel gedruckt. Dort befinden sich nun jeweils neun angebliche Forderungen der verschiedenen Parteien. Der Clou: Nur sieben der Punkte stimmen wirklich -  bei zwei Punkten handelt es sich hingegen um komplette Fake News! 

Handelt es sich hierbei um sinnvolle Aufklärung oder besteht die Gefahr, dass auch die Fake News hängen bleiben? Schließlich wurden die Falschaussagen so gewählt, dass sie auf den ersten Blick nicht völlig unplausibel erscheinen, und sie behandeln relevante Themen wie beispielsweise eine vermeintliche Gender-Pflicht oder angeblich geforderte Migrationsobergrenzen. Oder ist das Verbreiten dieser Fake News unproblematisch, da schließlich direkt am Flaschenrand darüber informiert wird, welche Aussagen nur erfunden waren? Wie ist eine solche Aktion psychologisch einzuordnen?

Eine wichtige psychologische Grundlage der Wirkweise von Fake News ist der sogenannte Truth-by-Repetition-Effekt oder einfach Truth-Effekt. Dieser besagt, dass Leute wiederholte Aussagen eher glauben als neuartige Aussagen (siehe Brashier & Marsh, 2020; für einen Überblick: Unkelbach et al., 2019). So werden beispielsweise (falsche) Aussagen, die Studienteilnehmende zu Beginn eines Experiments bereits präsentiert bekommen haben, anschließend als glaubhafter eingeschätzt als komplett neue Aussagen. Das reine Lesen von Falschaussagen kann also dazu führen, dass diese anschließend glaubwürdiger erscheinen.

Doch kommt dieser Truth-Effekt auch bei den Smoothie-Flaschen zum Tragen? Schließlich wird hier direkt über die korrekte Antwort am Flaschenrand aufgeklärt, sodass dem Truth-Effekt möglicherweise effektiv entgegengewirkt wird. Forschung von Skurnik et al. (2005) hat allerdings gezeigt, dass eine solche direkte Aufklärung nur bedingt vor dem Truth-Effekt schützt. In einem Experiment zeigte das Forschungsteam Versuchspersonen verschiedene Statements und deckte dabei jedes Mal direkt auf, ob das jeweilige Statement wahr oder falsch war. Anschließend absolvierten die Versuchspersonen entweder 30 Minuten oder drei Tage später eine Beurteilungsphase, in der sie sowohl die bereits präsentierten als auch neuartige Statements als „wahr“ oder „falsch“ beurteilen sollten. Es zeigte sich, dass eine direkte Aufklärung zwar den Truth-Effekt reduzieren konnte, diese schützende Wirkung jedoch bereits nach drei Tagen deutlich reduziert war. Dies legt nahe, dass Aussagen paradoxerweise trotz klarer Kennzeichnung als „falsch“ auf lange Sicht dennoch als „wahr“ erinnert werden können.

Bisher wurde die Smoothie-Kampagne vor allem wegen der Auswahl der Parteien heftig kritisiert. Die oben geschilderte Forschung zum Truth-Effekt legt darüber hinaus aber auch nahe, dass die Kampagne zur Verbreitung von Fake News beigetragen haben könnte. Ohne konkrete Daten lässt sich dies natürlich nicht mit Sicherheit sagen. Trotzdem raten wir für die Zukunft beim Abdrucken von Fake News zu größerer Vorsicht, selbst wenn dies der Aufklärung dienen soll. Ist dieser sprichwörtliche Geist nämlich erst einmal aus der Smoothie-Flasche, lässt er sich nur schwer wieder einfangen.

Quellen:

Brashier, N. M., & Marsh, E. J. (2020). Judging truth. Annual Review of Psychology, 71(1), 499–515. https://doi.org/10.1146/annurev-psych-010419-050807

Unkelbach, C., Koch, A., Silva, R. R., & Garcia-Marques, T. (2019). Truth by repetition: Explanations and implications. Current Directions in Psychological Science, 28(3), 247–253. https://doi.org/10.1177/0963721419827854

Skurnik, I., Yoon, C., Park, D. C., & Schwarz, N. (2005). How warnings about false claims become recommendations. Journal of Consumer Research, 31(4), 713-724. https://doi.org/10.1086/426605

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