Frauen am Verhandlungstisch: Wie durchsetzungsstark ist das „schwache Geschlecht“?
In der Arbeitswelt gibt es Ungleichheiten zwischen Mann und Frau. Viel diskutiert sind diesbezüglich beispielsweise die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungsetagen und der Gehaltsunterschied zwischen Mann und Frau in vergleichbaren Jobs ( gender pay gap). Wieso haben Frauen so häufig in der Berufswelt das Nachsehen? Eine kürzlich erschienene Untersuchung über das Verhalten von Frauen und Männern in Verhandlungen zeigt eine mögliche Erklärung auf.
Die Frage nach Geschlechterunterschieden beim Führen von Verhandlungen ist nicht neu. Deswegen konnte ein deutsch-amerikanisches Forschungsteam (Mazei, Hüffmeier, et al., 2015) auf 51 Studien mit insgesamt mehr als 10 000 TeilnehmerInnen zurückgreifen, als sie die bestehende Literatur im Rahmen einer Metaanalyse systematisiert haben. Gemäß der Idee einer Metaanalyse wurden dabei qualitativ hochwertige Studien zu einem Thema statistisch zusammengefasst, um so zu einem fundierteren Urteil zu kommen, als es einzelne Studien erlauben. Auf diese Weise zeigten die AutorInnen: Männer haben beim Verhandeln tatsächlich die Nase vorn. Auch wenn der Effekt klein ist, könnte er über viele Berufsjahre hinweg eine große Wirkung haben. Beispielsweise sind am Anfang einer beruflichen Laufbahn entstehende Unterschiede im Gehalt die Grundlage, auf die sich spätere Gehaltsverhandlungen beziehen.
Die AutorInnen berufen sich bei der Erklärung des Unterschieds auf Geschlechterrollen: Bestimmte Eigenschaften gelten entsprechend diesen Geschlechterrollen als typisch, wünschenswert und angemessen für Frauen und Männer. Nun entsprechen die vermeintlich typisch männlichen Eigenschaften besonders gut ökonomisch erfolgreichem Verhandlungsverhalten (z. B. durchsetzungsstark, aktiv sein). Die von Frauen erwarteten Eigenschaften sind in Verhandlungen eher hinderlich (z. B. entgegenkommend, am Wohl Anderer orientiert sein).
Diese Erklärung gewinnt durch zusätzliche Auswertungen im Rahmen des Artikels an Überzeugungskraft. Es gibt nämlich Kontextbedingungen, die eine Verhandlungssituation stärker übereinstimmend mit der weiblichen Geschlechterrolle machen. Ein Beispiel sind Situationen, in denen man nicht für sich selber, sondern für eine andere Person verhandelt. Durchsetzungsstark zu sein würde dann gleichzeitig bedeuten, für das Wohl einer anderen Person zu sorgen. Die AutorInnen zeigten in ihrer Metaanalyse, dass Kontextbedingungen, die die Übereinstimmung von Geschlechterrollen und erfolgreichem Verhandlungsverhalten erhöhen, zu mindestens dem gleichen Erfolg von Frauen führen.
Die Studie verdeutlicht, dass es nicht biologische, sondern soziale Faktoren und Kontextfaktoren sind, aufgrund derer Frauen in Verhandlungen häufig das Nachsehen haben. Eine spannende Frage der Zukunft wird sein, wie sozialer Wandel sich auf die menschliche Orientierung an Geschlechterrollen und auf die Geschlechterrollen selbst auswirkt.
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