Heute im Angebot: Junge Sport-Talente.
Sie kennen nicht Youssoufa Moukoko? Das ist erstaunlich, denn mit nur 12 Jahren knipst der Stürmer von Borussia Dortmund munter in der U17 und in der deutschen U16 Nationalmannschaft. Obwohl sein Marktwert derzeit nicht öffentlich beziffert wird, betiteln die Medien ihn aufgrund seines fußballerischen Talents als „Wunderkind“. Wenn die Prognosen von Trainern, Scouts und Vereinen stimmen, könnte er der neue Neymar werden, der derzeit mit einer Ablösesumme von 222 Millionen Euro und einem aktuellen Marktwert von 150 Millionen Euro der teuerste Fußballspieler der Welt ist.
In der Sportpraxis gehören Prognosen über die Entwicklung von jungen SportlerInnen im Leistungs- und Spitzensport zum tagtäglichen Geschäft. Das gesamte Sportsystem ist in Form von altersspezifischen sowie leistungsabhängigen Trainings- und Wettkampfordnungen organisiert und zielt unter anderem darauf ab, Talente zu identifizieren und zu entwickeln. Auch in der sportwissenschaftlichen Forschung stellen Talentidentifikation und -entwicklung zentrale Themen dar (siehe Mann, Dehghansai, & Baker, 2017, für eine aktuelle Diskussion) und es gibt zahlreiche Talentmodelle und Studien, die sich mit der Vorhersage von zukünftigem Erfolg beschäftigen. Dabei wird versucht, relevante Kriterien (z. B. technische, taktische oder psychologische Faktoren) zu bestimmen, die talentierte von weniger talentierten SportlerInnen unterscheiden, Tests zu entwickeln, die diese valide messen, sowie Wahrscheinlichkeiten auszumachen, im Talentfördersystem zu verbleiben und/oder den Sprung in den Profisport zu schaffen (Mann et al., 2017). In diesem Zusammenhang hat beispielsweise der Deutsche Fußball Bund, der größte Sportverband der Welt, eine umfassende Testbatterie entwickelt, die anhand von verschiedenen Leistungstests fußballspezifische technische Fertigkeiten (z. B. Schuss, Dribbling) erfasst. Diese Tests werden heute flächendeckend von den lizensierten Nachwuchsleistungszentren (NLZ) der Bundesligavereine durchgeführt.
Der zunehmende Wettbewerb und Konkurrenzkampf sowie die wachsende Kommerzialisierung im professionellen Sport führen unter anderem dazu, dass Verbände und Vereine talentierte SportlerInnen immer früher identifizieren und verpflichten wollen. Interessanterweise hat eine Studie im deutschen Fußball gezeigt, dass von den heutigen männlichen Erstligaspielern nur weniger als 20 % bereits in jungen Jahren (in der U-11 Mannschaft) in einem NLZs gespielt haben. Laut dieser Studie wird die Wahrscheinlichkeit, Profi zu werden, mit jeder Altersstufe im NLZ höher. Demnach scheint es aufgrund der Durchlässigkeit des Systems auch für ältere Spieler noch Wege in den Nachwuchsbereich von Proficlubs und sogar Jugendnationalmannschaften zu geben. Dennoch stellen Zielvorgaben wie kurzfristiger Erfolg in der laufenden Saison (z. B. Platzierungen) und mögliche finanzielle Konsequenzen wie Gewinne oder Einbußen durch die Verpflichtungen von Talenten durch andere Vereine reale Herausforderungen für alle Beteiligten im Nachwuchsleistungssport dar. Dass Talente mittlerweile schon im Kindesalter in Summen bewertet werden, die sie laut Mathematik Lehrplan selbst noch nicht oder gerade erst handlen können, zeigt nicht zuletzt auf, dass Verbände, Vereine, TrainerInnen, Scouts – vor allem im hochdotierten Fußballgeschäft – und last but not least auch die Eltern eine enorme ethische Verantwortung tragen, derer sie sich bewusst sein sollten.
Quelle:
Mann, D. L., Dehghansai, N., & Baker, J. (2017). Searching for the elusive gift: advances in talent identification in sport. Current Opinion in Psychology, (17). http://doi.org/10.1016/j.copsyc.2017.04.016
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