„Ich bin ein Geschenk für die Welt“ – Zu mehr Selbstbewusstsein durch positive Affirmationen?
Kennt das nicht jede/r? Das kleine Tüpfelchen mehr Selbstbewusstsein, das einem fehlt, um das Beste aus sich rauszuholen, den eigenen Standpunkt zu verteidigen und zufrieden mit sich zu sein? Und doch sind die meisten ratlos, wie sie dies erreichen könnten. Hierfür verschreiben einem Ratgeber oft die sogenannten Affirmationen. Aber funktionieren Affirmationen? Oder können sich für manche Personen sogar Nachteile ergeben?
Affirmationen sind bewusst formulierte positive Gedanken. In Ratgebern wird zum Beispiel empfohlen, sich jeden Morgen vor den Spiegel zu stellen und positive Gedanken über sich selbst zu formulieren, wie zum Beispiel „Andere Menschen lieben und respektieren mich so, wie ich bin“,„Ich bin eine liebenswerte Person“ oder „Ich bin ein Geschenk für die Welt“. Dies sollte dann den Selbstwert erhöhen.
Aber klappt das, was sich so einfach anhört, tatsächlich?
Genauer untersucht wurde dieses Phänomen bisher vor allem in den Vereinigten Staaten. Die Forschergruppe um Jeannis Wood (Wood et al., 2009) konnte zeigen, dass in den Vereinigten Staaten 56 Prozent der Studierenden positive Affirmationen anwenden. Hauptsächlich vor Prüfungen, Präsentationen und im Umgang mit negativen Ereignissen.
Doch Jeannis Wood und Kolleg/innen fragten sich, ob positive Affirmationen auch negative Auswirkungen haben können. Zur ersten Untersuchung möglicher negativer Effekte griffen die Autor/innen auf eine der gängigsten Affirmationen zurück, die laut Leary (2005) den Kern unseres Selbstwertgefühls repräsentiert, nämlich „Ich bin eine liebenswerte Person“.
Wie vermutet, fanden Wood et al. (2009) unter den teilnehmenden 180 Studierenden große Unterschiede in der Wirkung dieser Affirmation. In Abhängigkeit des Selbstbewusstseins hatte die Affirmation unterschiedliche Effekte auf die Studierenden. Personen mit einem hohen Selbstbewusstsein fühlten sich nach der Affirmation besser und waren noch selbstbewusster. Personen mit niedrigem Selbstbewusstsein konnten allerdings nicht von der Affirmation profitieren, vielmehr schadete diese noch zusätzlich. Sie fühlten sich letztlich schlechter und weniger selbstbewusst als Personen mit niedrigem Selbstbewusstsein, die keine Affirmation gesprochen hatten.
Die Forscher/innen vermuten, dass es daran liegen könnte, dass die Affirmation für Personen mit niedrigem Selbstbewusstsein inkompatibel zur eigenen Einstellung war und so zu inneren Widerständen geführt hat. Gerade Personen mit geringem Selbstbewusstsein könnten die positive Wirkung von Affirmationen jedoch gut gebrauchen, um sich besser und selbstsicherer zu fühlen. Wie können also Affirmationen auch für Personen mit geringem Selbstbewusstsein nützlich sein? Die Forschergruppe um Jeannis Wood vermutet, dass vorsichtiger formulierte Affirmationen, die noch im akzeptierten Rahmen der Person liegen, helfen könnten.
Zum Beispiel wäre „Manche Menschen lieben und respektieren mich so, wie ich bin“ eine leichter zu akzeptierende Affirmation als „Alle Menschen lieben und respektieren mich so, wie ich bin“.
Absolute Affirmationen, à la „Ich bin liebenswert“, wie sie in den meisten Selbsthilfebüchern vorgeschlagen werden, sind also nur für Personen mit schon hohem Selbstbewusstsein geeignet. Wer sich selbst dagegen als kleines Kätzchen wahrnimmt, wird durch positive Affirmationen nicht direkt zum Löwen. Personen mit niedrigem Selbstbewusstsein sollten sich die Affirmationen besser abgeschwächter und für sie passender formulieren odersich möglicherweise nach anderen, passenderen Techniken umsehen.
Beim Einsatz von Affirmationen gilt demnach “What matters most, is how you see yourself”.
Quellen:
Leary, M. R. (2005). Sociometer theory and the pursuit of relational value: Getting to the root of self-esteem. European Review of Social Psychology, 16, 75-111.
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