Persönlichkeitsprofile aus Internetdaten und der Ausgang der US-Wahl
Wie konnte das passieren? Diese Frage beschäftigt politisch interessierte Menschen auch noch Wochen nach dem Wahlsieg von Donald Trump. In den Medien und sozialen Netzwerken wurde zuletzt rege darüber diskutiert, ob auf Internetdaten basierendes Mikrotargeting den Wahlausgang beeinflusst haben könnte. Ist es möglich, die Wirksamkeit politischer Botschaften zu erhöhen, indem man sie gezielt den Persönlichkeitseigenschaften von Empfänger/-innen anpasst?
Angefacht wurde diese Debatte im deutschsprachigen Raum durch einen Artikel, der im Schweizer „Das Magazin“ erschien (Grassegger & Krogerus, 2016). Dort wird geschildert, wie eine von Trumps Wahlkampfteam angeheuerte Firma in völlig neuem Ausmaß Internetdaten dazu genutzt habe, um Persönlichkeitsprofile von Menschen zu erstellen und diesen dann maßgeschneiderte Wahlkampfbotschaften zukommen zu lassen. Offensichtlich ist für viele Menschen die Vorstellung sehr faszinierend, dass eine obskure Firma die US-Wahl auf diese Weise beeinflusst haben könnte. Ein Teil dieser Faszination resultiert vermutlich daraus, dass selten genauer erläutert wird, wie ein solches Mikrotargeting genau aussehen könnte. So kann der Eindruck entstehen, es müsse sich um geheime psychologische Manipulationstechniken handeln. Ganz so spektakulär ist es am Ende wahrscheinlich nicht. Deshalb lohnt es sich, einen Blick darauf zu werfen, was wir aus psychologischer Forschung darüber lernen können, wie man die Wirksamkeit politischer Botschaften erhöhen kann, indem man sie an psychologische Merkmale der Empfänger/-innen anpasst?
Eine Möglichkeit, die hier näher beleuchtet werden soll, könnte darin bestehen, politische Botschaften den moralischen Wertvorstellungen der Empfänger/-innen anzupassen. Menschen unterscheiden sich darin, welche Aspekte für sie eine Rolle spielen, wenn sie entscheiden, ob etwas richtig oder falsch ist. Sozialpsychologische Forschung zeigt, dass es hierbei zwischen Menschen aus verschiedenen politischen Lagern charakteristische Unterschiede gibt (Graham, Haidt & Nosek, 2009): Die Moralvorstellungen von Menschen, die sich selbst weiter links im politischen Spektrum verorten, basieren sehr stark auf den Gedanken, dass man Individuen keinen Schaden zufügen und sie fair behandeln soll. Für Menschen, die sich selbst weiter rechts verorten, spielen darüber hinaus weitere Aspekte eine Rolle, die von den links stehenden Menschen oft gar nicht als moralische Dimensionen anerkannt werden: Loyalität mit der eigenen Gruppe, Respekt vor Autoritäten und Reinheit. Auch innerhalb der politischen Lager lassen sich verschiedene Gruppierungen relativ gut dadurch charakterisieren, welche moralischen Dimensionen für sie mehr oder weniger wichtig sind (Haidt, Graham & Joseph, 2009).
Erste empirische Befunde sprechen dafür, dass es möglich ist, politische Botschaften so anzupassen, dass sie bei Menschen mit ganz bestimmten Moralvorstellungen mehr Zustimmung erzielen (Day, Fiske, Downing & Trail, 2014; Feinberg & Willer, 2015): So konnten Matthew Feinberg und Robb Willer (2015) zeigen, dass ein Plädoyer für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften (ein typisch liberales Thema) unter Konservativen deutlich mehr Zustimmung fand, wenn die Botschaft einen Bezug zu Loyalität mit der Eigengruppe herstellte („Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, sind stolze Patrioten.“) anstatt, wie üblicherweise, über Fairness zu argumentieren („Menschen sollten unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung gleich behandelt werden.“). Gleichzeitig fand eine Botschaft, die für eine Aufrechterhaltung hoher Militärausgaben warb (ein typisch konservatives Thema) unter Liberalen deutlich mehr Zustimmung, wenn ein Bezug zu Fairness hergestellt wurde (das Militär als Aufstiegsmöglichkeit für sozial benachteiligte Menschen) als wenn man, wie sonst oft üblich, über Loyalität und Autorität argumentierte (das Militär als Garant der Sicherheit und internationalen Vormachtstellung der USA).
Kann man durch derartige Strategien den Ausgang von Wahlen beeinflussen? Wir wissen es nicht. Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt keine belastbare Evidenz, um zu beurteilen, ob und wenn ja, in welchem Ausmaß Mikrotargeting den Ausgang der US-Wahl beeinflusst hat.
Quellen:
Day, M. V., Fiske, S. T., Downing, E. L., & Trail, T. E. (2014). Shifting liberal and conservative attitudes using moral foundations theory. Personality and Social Psychology Bulletin, 40, 1559-1573.
Feinberg, M., & Willer, R. (2015). From gulf to bridge: When do moral arguments facilitate political influence?. Personality and Social Psychology Bulletin, 41, 1665-1681.
Graham, J., Haidt, J., & Nosek, B. A. (2009). Liberals and conservatives rely on different sets of moral foundations. Journal of Personality and Social Psychology, 96, 1029-1046.
Grassegger, H. & Krogerus, M. (Dezember, 2016). Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt. Das Magazin, 48. [https://www.dasmagazin.ch/2016/12/03/ich-habe-nur-gezeigt-dass-es-die-bo...
Haidt, J., Graham, J., & Joseph, C. (2009). Above and below left–right: Ideological narratives and moral foundations. Psychological Inquiry, 20, 110-119.
Autor*innen
Artikelschlagwörter
Blog-Kategorien
- Corona (27)
- Für-Kinder (0)
- In-eigener-Sache (8)
- Interviews (11)
- Rechtspsychologie (24)
- Sozialpsychologie (216)
- Sportpsychologie (37)
- Umweltpsychologie (22)