Schon wieder vergessen das Medikament zu nehmen! Kann eine einfache Strategie gegen die „Vergesslichkeit“ im (höheren) Erwachsenenalter helfen?

Kennen Sie das? Sie stürmen aus dem Haus, weil Sie einen Termin haben und vergessen, das Fenster zu schließen. Das passiert wohl jedem Mal. Aber was kann man dagegen tun? Dieser Blogbeitrag stellt eine kleine einfache Strategie vor, die Sie im Alltag unterstützen kann.

Wann haben Sie zuletzt etwas vergessen? (Gerade als ich diesen Blogbeitrag schreibe, hätte ich beinahe vergessen die Pizza aus dem Ofen zu nehmen. Oh nein…alles gut gegangen. Puh…)

Unser Alltag ist voll mit Aufgaben, die man sich vornimmt (sog. Absichten) und erst später erledigen muss: die Fenster beim Verlassen der Wohnung schließen, den Anhang an die E-Mail hängen, den Arzttermin wahrnehmen, jeden Morgen das Blutdruckmedikament einnehmen, der Freundin zum Geburtstag gratulieren. Alle Aufgaben haben etwas gemeinsam: Es geht darum, etwas zu erledigen, was man sich Sekunden, Minuten, Stunden oder Tage zuvor vorgenommen hat. Das Gedächtnis, das für das Erinnern und Abrufen dieser Aufgaben („Absichten“) zuständig ist, nennt man prospektives Gedächtnis oder Absichtsgedächtnis. Man nimmt sich etwas vor, das nach einer Pause zu einem bestimmten Punkt in der Zukunft erledigt werden muss. An diesem (Zeit-)Punkt muss die Absicht erinnert werden, meist ohne einen Hinweis von außen. Wenn man sich die Vielzahl der Aufgaben anschaut, welche zu dieser Gedächtnisart zählen ist es nicht verwunderlich, dass uns im prospektiven Gedächtnis im Alltag die meisten Fehler passieren (Haas et al., 2020).

Das prospektive Gedächtnis und Wege dieses zu verbessern werden häufig im Zusammenhang mit Alter(n) untersucht. Gerade im höheren Erwachsenenalter spielt dieses Gedächtnis eine wesentliche Rolle beim Erhalt der Selbstständigkeit und Lebensqualität. Eine aktuelle Studie (Grob, Ghisletta & Kliegel, 2024) untersuchte im höheren Erwachsenenalter, wie das Einüben einer einfachen Strategie helfen kann das prospektive Gedächtnis im Alltag zu verbessern. 50 ältere Personen (im Durchschnitt über 70 Jahre alt) erlernten die selbstständige Anwendung der „Implementation Intention Strategie“ um sich zu erinnern a) ihren Blutdruck dreimal täglich für 6 Tage zu checken und b) zu bestimmten Zeitpunkten Kontakt mit den Wissenschaftlern aufzunehmen. Circa der Hälfte der Teilnehmenden wurde die Strategie lediglich einmal (1 Stunde) erklärt, die andere Hälfte erhielt wiederholt (4x 1 Stunde) Instruktionen und Übungen. Die Gedächtnisleistung („Erinnern an die und Ausführen der Aufgabe“) vor (Pre-Test) und nach dem Training (Post-Test) sowie ein Jahr später (Follow-up) wurde erfasst. Ergebnisse zeigten in Bezug auf das prospektive Gedächtnis im Alltag (Blutdruck messen & Kontaktaufnahme), dass alle Teilnehmenden ein Jahr nach dem Training eine verbesserte Leistung hatten. Das heißt, beide Gruppen machten signifikant weniger Fehler beim Follow-up im Vergleich zu einem Jahr zuvor ohne die Implementation Intention Strategie. Nach dem Training wurde noch erfasst, ob die Teilnehmenden eine Verbesserung im Alltag merkten und sich kompetenter im Alltag fühlten. Hier gaben die Personen, die ein ausführlicheres Training hatten, an, eine starke Veränderung im Alltag zu spüren. In dieser sehr aufwendigen Studie konnten die Autor:innen zeigen, dass ältere Personen, welche die Implementation Intention Strategie gelernt und wiederholt angewendet hatten, sich kompetenter im Alltag fühlten und weniger Fehler machten.

Probieren Sie die Strategie doch einfach selber einmal aus:

Bei der Anwendung der Implementation Intention Strategie (mit Vorstellungselement) geht man wie folgt vor: 

  1. Wählen Sie wann, wo und wie Sie die Absicht (z.B. Blutdrucktablette pünktlich nehmen) ausführen wollen.
  2. Anschließend formulieren Sie einen spezifischen „Wenn, dann“-Satz, z.B.: „Wenn ich mich morgen früh an den Frühstückstisch setze (wann & wo), dann nehme ich meine Blutdrucktablette mit etwas Wasser ein (was).“
  3. Um sich Ihren wenn-dann-Satz gut merken zu können, kann dieser gern aufgeschrieben und mehrfach gelesen werden. Wichtig ist, dass Sie den Satz am Ende auswendig aufsagen können.
  4. Nehmen Sie sich etwas Zeit und stellen Sie sich bewusst die Situation vor, in der Sie die Absicht ausführen und führen Sie die Absicht in Gedanken aus.
  5. Machen Sie mit Ihrem Alltag weiter.

Viel Erfolg beim ERINNERN. (Und wenn es beim ersten Mal nicht klappt, geben Sie nicht auf. Übung macht den Meister, wie die Studie gezeigt hat.)

Literaturverzeichnis

Grob, E., Ghisletta, P. & Kliegel, M. (2024). Implementation intentions in older adults to improve their prospective memory: Repeated practice helps. Journal of Cognitive Enhancement, 8, 1-8. https://doi.org/10.1007/s41465-024-00284-3

Haas, M., Zuber, S., Kliegel, M., & Ballhausen, N. (2020). Prospective memory errors in everyday life: Does instruction matter? Memory, 28(2), 196–203. https://doi.org/10.1080/09658211.2019.1707227

Bildquelle

jeshoots via unsplash