Super Recognizers – Von Menschen, die kein Gesicht vergessen
In der Silvesternacht wurden in Köln zahlreiche Frauen Opfer von Diebstahl und sexuellen Belästigungen. Die Kölner Polizei bekommt bei den Ermittlungen Hilfe von Mitgliedern einer Spezialeinheit der britischen Polizei, die über besondere Fähigkeiten zur Gesichtserkennung verfügen. Dazu sollen sie Videomaterial aus der Nacht durchsehen und sich die Gesichter merken, um die Täter später auf der Straße wiederzuerkennen. Aber wie funktioniert das? Gibt es Menschen, die alle Personen, die sie jemals gesehen haben, sofort wiederkennen können? Und was sagt die Forschung zu diesen „Super Recognizers“?
Alles begann damit, dass eine Forschergruppe um Richard Russell von der Harvard University von vier Personen kontaktiert wurde, die von sich behaupteten, außergewöhnliche Fähigkeiten zur Gesichtserkennung zu haben. Diese Personen erzählten Anekdoten, aus denen hervorging, dass sie ein einmal gesehenes Gesicht immer wiedererkennen würden, egal wie viel Zeit seit der Begegnung vergangen war. Diesen Behauptungen wollten die Forscher auf den Grund gehen und sie überprüften, wie gut diese vier Personen im Wiedererkennen von unbekannten Gesichtern waren. Tatsächlich schnitten die Vier in den Tests viel besser ab als Vergleichspersonen, die nicht von solchen Fähigkeiten berichteten. Andere Untersuchungen bestätigten diesen ersten Befund. Zum Beispiel schneiden sogenannte „Super Recognizers“ überdurchschnittlich gut beim sogenannten „face matching“ ab, d. h. bei der Beurteilung, ob auf verschiedenen Fotos ein- und dieselbe oder unterschiedliche Personen abgebildet sind. Außerdem sind sie überdurchschnittlich gut darin, ihnen unbekannte Personen, von denen sie vorher ein Foto gesehen haben, auf Videoaufnahmen wiederzuerkennen. Beides sind Fähigkeiten, die bei einer polizeilichen Ermittlung wie der in Köln sehr hilfreich sein können.
Wissenschaftler*innen vermuten, dass die Fähigkeit Gesichter wiederzukennen, auf einem Kontinuum verläuft. Demnach stehen am unteren Ende des Kontinuums Menschen mit sogenannter Gesichtsblindheit, denen es überhaupt nicht gelingt, Gesichter wiederzuerkennen. Am oberen Ende des Kontinuums mit extrem guten Wiedererkennungsfähigkeiten stehen dagegen die „Super Recognizers“.
Es spricht also einiges dafür, dass der Einsatz von „Super Recognizers“ der Polizei bei Ermittlungen helfen könnte, auch in Köln, wo es zahlreiches Bild- und Videomaterial von den Taten gibt. Allerdings: Die einschlägige Forschung steckt noch in den Kinderschuhen und die wenigen Studien basieren auf sehr kleinen Fallzahlen – eben weil es nur so wenige „Super Recognizers“ gibt. Polizeieinheiten sollten mit dem Einsatz noch vorsichtig sein und sich grundsätzlich nicht ausschließlich auf die „Super Recognizers“ verlassen. Denn falsche Identifizierungen können fatale Folgen haben: Sie sind nach wie vor der Hauptgrund für Justizirrtümer.
Sind Sie auch ein Super Recognizer? Das können Sie hier testen: http://prosopagnosiaresearch.org/clinical-tests
Quellen:
http://www.presseportal.de/blaulicht/pm/12415/3232330
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