Von Moneten und Moral – Beeinträchtigt Geld unser moralisches Urteilen?
„Je mehr Geld, desto weniger Gewissen“ – nach dem Empfinden vieler Menschen könnte dieser Ausspruch Maxim Gorkis aktueller kaum sein. Angesichts von Steuerskandalen, Finanzkrisen, und Bankerboni besteht für Viele kein Zweifel: Geld beeinträchtigt moralisches Urteilen und Handeln.
Ein Team französischer Wissenschaftler um Marko Pitesa hat sich in einer aktuellen Studie im Fachjournal Psychological Science dem Verhältnis von Geld und Moral von empirischer Seite angenähert. Die Autoren gehen von der Prämisse aus, dass Geld vor unmoralischem, schädigendem Verhalten Dritter schützt. So sind Menschen, die über hohen materiellen Wohlstand verfügen, weniger stark von direkten Schäden durch Andere (z. B. Diebstahl) betroffen, da sie die Konsequenzen leichter kompensieren können. Als Resultat – und hier kommt das moralische Urteilen ins Spiel – bewerten wohlhabende Personen moralische Vergehen grundsätzlich weniger harsch.
Die Wissenschaftler suchen empirische Evidenz für diese Behauptungen in einer Analyse von Umfragedaten des sogenannten World Value Surveys. In der Betrachtung von Daten aus 56 Ländern zeigt sich, dass moralisches Fehlverhalten immer dann als besonders ungerechtfertigt bewertet wird, wenn die Inflation in einem Staat aktuell hoch ist. Dazu berechneten die Autoren die Korrelation, also den statistischen Zusammenhang, zwischen der Inflationsrate und dem Antwortverhalten der Umfrageteilnehmenden auf eine Reihe moralischer Fehltritte (z. B. Lügen, Steuerbetrug, Bestechung). Die Autoren schlussfolgern, dass in wirtschaftlich schweren Zeiten strengere moralische Standards angesetzt werden.
Zwei Aspekte gilt es indes kritisch zu berücksichtigen: Zum einen deuten statistische Korrelationen nicht zwangsläufig auf einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang hin. Nur weil hohe Inflation und strengere Moralurteile zeitgleich auftreten, stellt Inflation nicht notwendigerweise die Ursache dar. Zum anderen darf bezweifelt werden, dass die Inflationsrate allein einen hinreichenden Indikator für den wirtschaftlichen Wohlstand eines Landes darstellt (man beachte hier z. B. Griechenlands negative Verbraucherpreisentwicklung im Jahre 2013 trotz anhaltender Wirtschaftskrise).
Es bleibt also vorerst abzuwarten, ob angesichts dieser Kritikpunkte Gorkis Maxime tatsächlich als empirisch abgesichert betrachtet werden darf.
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