Warum Altern glücklich macht
Hören wir das Schlagwort "Altern", denken wir oft an den Abbau körperlicher und geistiger Fähigkeiten. Verblüffende Ergebnisse psychologischer Forschung aber zeigen: Altern macht auch glücklich.
Hören wir das Schlagwort ‚Altern‘, denken wir oft an den Abbau körperlicher und geistiger Fähigkeiten. Andere, nicht minder negativ besetzte Assoziationen sind Krankheit, der vermeintliche Verlust der Attraktivität und schließlich der nahende Tod. Auch die oft zitierte Alterspyramide, die aufzeigt, dass in Deutschland immer mehr ältere und immer weniger jüngere Menschen leben, ist hauptsächlich negativ besetzt: Die überalterte Gesellschaft wird gemeinhin als Schreckensszenario dargestellt.
Dabei ist es zunächst einmal eine gute Nachricht, dass wir immer älter werden. Die moderne Medizin hat offensichtlich Erfolge zu vermelden, die uns erlauben, Krankheiten zu überleben, an denen Menschen noch vor wenigen Jahrhunderten gestorben sind. Aber es gibt noch einen anderen, weniger beachteten Grund, warum wir uns vor einer überalterten Gesellschaft weniger zu fürchten haben als wir glauben: Der sogenannte ‚positivity bias‘ (zu deutsch: „Tendenz zur Positivität“), den Psychologen bei älteren Menschen nachgewiesen haben, belegt, dass ältere Menschen im Vergleich zu jüngeren Menschen die Welt in einem positiveren Licht sehen. Dies wirkt sich zum Beispiel aus, wenn ältere Menschen Gesichter beobachten. In einem Experiment beobachteten ältere und jüngere Menschen Gesichter mit einem neutralen oder positiven Gesichtsausdruck. Es zeigte sich, dass ältere Menschen ihre Aufmerksamkeit eher auf das neutrale Gesicht richteten, junge Menschen hingegen beachteten positive und negative Gesichter gleichermaßen (Mather & Carstensen, 2003). Zudem behielten ältere Menschen eher das positive Gesicht in Erinnerung. Nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch das Gedächtnis bekommt im Alter bei der Konfrontation mit bestimmten Emotionen daher eine positivere Färbung.
Dies kann allerdings auch negative Folgen haben. Japanische Forscher haben herausgefunden, dass ältere Menschen auch dann das Gegenüber als vertrauenswürdig einstufen, wenn sie mehrmals von der Person betrogen wurden - zumindest dann, wenn die Person einen vertrauenswürdigen Gesichtsausdruck hat (Suzuki, 2018). Junge Menschen hingegen stuften eine(n) Interaktionspartner(in) als nicht mehr vertrauenswürdig ein, wenn diese(r) sich bei einem gemeinsamen Wettbewerb wiederholt als unfaire(r) Spieler(in) gezeigt hatte. Es wird daher davon ausgegangen, dass der ‚positivity bias‘ auch dazu beitragen kann, dass ältere Menschen sich öfter als jüngere Menschen BetrügerInnen anvertrauen, was finanzielle und emotionale Nachteile mit sich bringen kann.
Nichtsdestotrotz finde ich, dass der ‚positivity bias‘ eine gute Nachricht ist. Überalterung kann eben auch bedeuten, dass negative Emotionen in unserer Gesellschaft weniger Beachtung finden. Und können wir das nicht gut gebrauchen, egal in welchem Alter?
Literaturverzeichnis:
Mather, M., Carstensen, L.L. (2003) Aging and attentional biases for emotional faces. Psychol Sci 14 409-415.
Suzuki, A. (2018) Persistent reliance on facial appearance among older adults when judging someone‘s trustworthiness. J Gerontol B Psychol Sci Soc Sci 16 573-583.
Bildquelle:
Bild 1: Sam Wheeler via unsplash , CC
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