Warum der Apfel nicht weit vom Stamm fällt
Bereits 3-Jährige haben Vorurteile und andere Präferenzen und erwerben neue Bewertungen erstaunlich schnell.
„Kinder haben ziemlich wenige Vorurteile“ – diese Zuversicht streuenden Worte stammen zuletzt von Neven Subotic, Fußballer Borussia Dortmunds, der in der WDR Fernsehsendung „Hart aber fair“ vom 18.4.2016 (http://www1.wdr.de/daserste/hartaberfair/sendungen/gekommenumzubleiben100.html) über seine kindlichen Erfahrungen von Flucht und Abschiebung berichtete. Tragisch mag es deshalb erscheinen, dass ihm von Seiten der Sozialpsychologie nicht beigepflichtet werden kann: Vorurteile, aber auch andere negative und positive Bewertungen wie bestimmte Essens- und Produktpräferenzen lassen sich bereits bei 3-Jährigen nachweisen. Kinder scheinen Bewertungen also recht früh zu erwerben – Vorurteile inklusive. Aber wie funktioniert das?
Dieser Frage gingen wir (Halbeisen, Walther, & Schneider, in press) in einer Studie nach, in der wir den Bewertungserwerb von 3- bis 6-jährigen Kindern untersuchten. Dabei wollten wir testen, ob das Entstehen von Bewertungen dadurch erklärt werden kann, dass sich Kinder die Regelmäßigkeiten ihrer Umwelt zu Nutze machen: Mögen Kinder die Personen oder Gegenstände, die regelmäßig gemeinsam mit anderen positiven Ereignissen auftraten? Und mögen Kinder die Personen oder Gegenstände nicht, die gemeinsam mit negativen Ereignissen auftraten? Da wir wissen, dass selbst Kleinkinder sehr lernfähig sind, gingen wir davon aus, dass sich dieses „Abfärben“ von Bewertungen in der Tat zeigen lassen sollte.
Um dies zu untersuchen ließen wir 3- bis 6-jährige Kindergartenkinder ein Computerspiel spielen, in dem es um die Entdeckung verschiedener „Monster“ in einem Wald ging. Die Monster wurden gemeinsam mit positiven Bildern gezeigt, wie dem eines Hundewelpen oder einer Eistüte, oder aber mit negativen Bildern, wie dem einer Spinne oder von Labskaus (nicht persönlich nehmen, liebe Seefahrerinnen und Seefahrer!). Fragten wir die Kinder später, welche Monster sie lieber mochten, so zeigte sich eine klare Präferenz für das Monster, welches gemeinsam mit einem positiven Bild gezeigt wurde. Interessanterweise beobachteten wir auch, dass sich diese Präferenz auch auf andere, ähnlich aussehende Monster übertrug, obwohl diese nie direkt mit einem positiven oder negativen Bild gezeigt wurden.
Natürlich wirkt so eine Laborstudie erst einmal sehr künstlich und das hat auch einen ethischen Hintergrund: Wenn wir bei 3- bis 6-jährigen Kindern positive und negative Bewertungen erzeugen wollen, dann können wir nicht mit echten Individuen oder Personengruppen arbeiten. Aber dennoch sagen uns die Ergebnisse etwas darüber, wie wir uns den Erwerb von Bewertungen im echten Leben vorstellen können: Junge Kinder lernen schnell, wenn andere auf bestimmte Personen positiv oder negativ reagieren – und können Bewertungen selbst dann erwerben, wenn sich positive oder negative Ereignisse nur zufällig in zeitlich-räumlicher Nähe ereignen. Vielleicht gibt es dann auch doch noch eine gute Nachricht für Neven Subotic: Wenn junge Kinder Bewertungen schnell erwerben, dann sollten sich bestehende Bewertungen auch schnell wieder ändern lassen.
Quellen:
Halbeisen, G., Walther, E., & Schneider, M. (in press). Evaluative conditioning and the development of attitudes in early childhood. Child Development.
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