Was macht die Sonne eigentlich, wenn wir schlafen? – Kindliche Konzepte von Himmelskörpern
Erdrotation, Planetenbahnen, die Position der Sterne – selbst für Erwachsene scheint es herausfordernd, zu verstehen, wann und wo Sonne, Mond und Sterne zu sehen sind. Was glauben Kinder, wie Tag und Nacht entstehen? Und wie kann es ihnen gelingen, ein Verständnis für diese komplexen Naturphänomene zu entwickeln?
Schon seit der Antike sind Menschen fasziniert vom Nachthimmel mit seinen Sternen und Planeten. Doch erst während der kopernikanischen Wende ab dem 16. Jahrhundert entwickelte sich das moderne Konzept der Planetenbewegungen. Und damit einher ging auch die Idee einer Erde, die sich nicht nur um die Sonne, sondern auch um sich selbst dreht. Das Verständnis dafür ist auch Kindern nicht in die Wiege gelegt und muss sich erst im Laufe der Kindheit und Jugend ausbilden. Die Autor:innen einer klassischen Studie aus dem Jahr 1994 untersuchten, wie sich mentale Modelle von Himmelskörpern im Laufe der Kindheit verändern.
Dazu stellten sie Kindern der ersten, dritten und fünften Klasse Fragen zu Erde, Sonne, Mond, Sternen und deren Zusammenhang mit Tag und Nacht. Die Kinder sollten zum Beispiel beantworten, wo sich die Sonne nachts befindet und ob sie sich bewegt. Zusätzlich baten sie die Kinder, Zeichnungen zu ihren Ideen und Vorstellungen anzufertigen.
Das Forschungsteam erkannte dabei hauptsächlich drei Arten von Modellen:
- Jüngere Kinder glaubten, dass die Erde an einer fixen Position steht. Die Sonne werde nachts von Bergen oder Wolken „verdeckt“ oder bewege sich auf und ab, sodass wir sie nicht sehen könnten. Solche Modelle nennt man initiale Modelle.
- Etwas ältere Kinder versuchten, erste wissenschaftliche Informationen in ihre bestehenden Modelle zu integrieren. In diesem Stadium glaubten Kinder beispielsweise, dass sich Sonne und Mond um die Erde drehen würden.
- Erst ältere Grundschulkinder entwickeln sehr vereinzelt ein annähernd wissenschaftliches Modell der Himmelskörper mit einer fixierten Sonne, der Achsenrotation der Erde und dem Mond, der die Erde umkreist.
Auch aktuelle Daten zeigen, dass sich Kinder kaum von ihren initialen Modellen abbringen lassen – selbst, wenn sie Informationen erhalten, die diese korrigieren könnten. Einige wenige Schüler:innen erreichten zwar einen kleinen Lernzuwachs, die meisten Kinder veränderten ihre falschen Modelle allerdings nicht (Vosniadou & Skopeliti, 2017). Teilweise übernehmen Schüler:innen solche Fehlannahmen sogar bis in die Oberstufe hinein (Baekert et al., 2022). Das richtige Verständnis für das Zustandekommen von Tag und Nacht stellt sich also nicht automatisch bei allen Kindern ein – manche Kinder benötigen möglicherweise mehr Unterstützung, um ein realistisches Modell der Planetenbewegungen zu entwickeln.
Interessanterweise gibt es also erstaunliche Ähnlichkeiten zwischen den Modellen jüngerer Kinder und denen der antiken Menschheit. Das richtige Verständnis für das Sonnensystem musste sich erst im Laufe der Menschheit entwickeln – und offenbar vollziehen auch Kinder erst mit der Zeit eine kognitive Wende, um diese komplexen Abläufe zu begreifen.
Literaturverzeichnis
Bekaert, H., Steegen, A., Van Winckel, H., Van Dooren, W., Nicolini, M., Sippel, A. C., Staikidis, C., Thiering, I., & De Cock, M. (2022). Comparing students’ knowledge of the apparent motion of the sun and stars across four European countries. Astronomy Education Journal, 2(1), 1–14. https://doi.org/10.32374/aej.2022.2.1.038ra
Vosniadou, S., & Brewer, W. F. (1994). Mental models of the day/night cycle. Cognitive Science, 18(1), 123-183. https://doi.org/10.1207/s15516709cog1801_4
Vosniadou, S., & Skopeliti, I. (2017). Is it the earth that turns or the sun that goes behind the mountains? Students’ misconceptions about the day/night cycle after reading a science text. International Journal of Science Education, 39(15), 2027–2051. https://doi.org/10.1080/09500693.2017.1361557
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