Wir müssen reden… Warum wir mehr über Klimaschutz sprechen sollten
Auf einer Uni-Party kommst du ins Gespräch mit einer Gruppe neuer Leute. Du amüsierst dich gut bis sich das Gespräch auf einmal Richtung Klimaschutz bewegt. Ist das der Moment, um zu sagen, dass dir Klimaschutz wichtig ist, oder um elegant das Thema zu wechseln? Gespräche über Klimaschutz können heikles Terrain sein – sollten wir trotzdem darüber reden?
Es kann unangenehm sein über Klimaschutz zu reden, zum Beispiel, wenn man nicht weiß, welche Haltung das Gegenüber hat – oder auch gerade, weil man die (entgegengesetzte) Haltung kennt. Zusätzlich kann die Sorge hinzukommen, als Moralapostel dazustehen oder als würde man sich für moralisch überlegen halten (Hoffmann et al., 2025). Und schließlich die Preisfrage: Bringen solche Gespräche überhaupt etwas?
Bringt das was?
Ein Studienteam (Hurst et al., 2023) hat untersucht, welchen Einfluss ein Gespräch über eine Umwelt-Initiative auf die Meinung des Gegenübers hat. In einer Studie führten 311 Studierende ein Zweier-Gespräch zu einer Initiative ihrer Universität, mehr pflanzliche Alternativen in der Mensa anzubieten. Was die Teilnehmenden nicht wussten, war, dass ihre Gesprächspartnerin selbst nicht Studienteilnehmerin, sondern Teil des Studienteams war. Ihre Aufgabe war es, in dem Gespräch jeweils eine zufällig ausgewählte Position zu vertreten. Entweder war sie für die Initiative und brachte drei entsprechende Argumente vor (z. B. Tierschutz und geringere CO2-Emissionen vegetarischer Produkte) oder sie war dagegen und hatte drei Gegenargumente in petto (z. B. wichtige Nährstoffe in Tierprodukten und lange Tradition der fleischlichen Ernährung).
In einer zweiten Studie führten weitere 545 Teilnehmende kein echtes Gespräch, sondern lasen einen Brief von vorgeblichen anderen Studienteilnehmenden. Auch hier war der Brief tatsächlich vom Studienteam verfasst und argumentierte entweder für oder gegen die Initiative. Zusätzlich gab es noch eine Kontrollgruppe, die keinen Brief las – also keinen Austausch zur Initiative hatte.
In beiden Studien bekamen die Teilnehmenden nach dem Gespräch bzw. Lesen des Briefes eine Aufgabe: Sie sollten innerhalb von 40 Sekunden so oft wie möglich einen Knopf drücken. Wenn sie dabei eine Mindestanzahl schafften, würde $1 an die Umwelt-Initiative gespendet werden. Mit dieser Aufgabe wollte das Studienteam herausfinden, wie sehr sich die Teilnehmenden für die Initiative ins Zeug legten.
Beide Studien zeigten dabei dasselbe Ergebnis: Die Meinung der Gesprächspartnerin beeinflusste, wie sehr sich die Teilnehmenden in der Aufgabe danach anstrengten. Sie klickten öfter nach einem Gespräch mit einer Befürworterin der Initiative und seltener nach einem Gespräch mit einer Gegnerin. Insbesondere zeigte sich dieser Unterschied bei Teilnehmenden, die vor dem Gespräch gegen die Initiative gewesen waren – sie ließen sich besonders stark von der Meinung des Gegenübers beeinflussen und klickten je nachdem öfter oder seltener. Die Gespräche über die Initiative hatten also erfolgreich ihr Engagement dafür verändert!
Was macht das Gespräch mit der Beziehung?
Eine Sorge bei solchen Gesprächen kann sein, dass man sich mit dem Gegenüber streitet und die bestehende Beziehung gefährdet. Aber muss das so sein? In einer weiteren Studie wertete das Studienteam 296 Gespräche entweder über die Umweltinitiative oder die Biographie eines Schauspielers zwischen je zwei Studierenden (diesmal beides echte Teilnehmende) aus. Sie stellten fest, dass Teilnehmende in Gesprächen über die Umweltinitiative mehr Anzeichen von „psychologischer Sicherheit“ zeigten. Der Begriff psychologische Sicherheit kommt ursprünglich aus der Arbeitspsychologie und beschreibt das Gefühl, anderen Personen gegenüber frei die eigene Meinung äußern und man selbst sein zu können ohne negative Folgen zu fürchten (z. B. verurteilt zu werden) (Kahn, 1990). Sie entsteht insbesondere, wenn man sich Anderen gegenüber öffnet. Gespräche über Umweltthemen geben offenbar einen Anlass dazu, die eigenen Gedanken zu teilen, und können so auch einen positiven Effekt für die Beziehung zwischen den Gesprächspartner:innen haben.
Was nun?
Gespräche über Umweltthemen können also fruchtbar sein. Sei es, weil man neue Argumente und Perspektiven austauscht oder sich gegenseitig anregt, über das Thema nachzudenken – in jedem Fall kann ein Gespräch das Verhalten des Gegenübers verändern. Dabei muss man allerdings bedenken, dass in der Studie nur untersucht wurde, wie sehr sich die Teilnehmenden in einer kurzen Aufgabe zugunsten einer Umwelt-Initiative anstrengten. Reales Umweltschutzverhalten sieht anders aus, sodass die Ergebnisse nicht unbedingt ohne Weiteres übertragbar sind: beispielsweise weil Alltagssituationen unter Anderem von äußeren Umständen beeinflusst werden.
Nebenbei scheinen solche Gespräche auch die empfundene psychologische Sicherheit zu erhöhen und damit die Beziehung zwischen den Sprechenden vertiefen zu können. Sicher trifft das nicht auf alle Gesprächssituationen und -partner:innen zu – beispielsweise hat diese Studie keine überzeugten Verschwörungstheoretiker:innen untersucht, sondern Studierende, die sich gegenseitig vorher nicht kannten. Daher lassen sich die Ergebnisse nicht unbedingt auf andere Gruppen verallgemeinern. Insgesamt deutet die Studie aber daraufhin, dass wir solche Gespräche durchaus öfter wagen könnten.
Literaturverzeichnis
Hoffmann, T., Mlakar, Ž., Rauws, W., & Bolderdijk, J. W. (2025). Personal actions or systemic solutions: How the focus of the conversation influences willingness to talk about environmental issues. Journal of Environmental Psychology, 105, 102590. https://doi.org/10.1016/j.jenvp.2025.102590
Hurst, K. F., Sintov, N. D., & Donnelly, G. E. (2023). Increasing sustainable behavior through conversation. Journal of Environmental Psychology, 86, 101948. https://doi.org/10.1016/j.jenvp.2022.101948
Kahn, W. A. (1990). Psychological conditions of personal engagement and disengagement at work. Academy of Management Journal, 33(4), 692–724. https://doi.org/10.2307/256287
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