Wissen vs. Glauben: Was hinter der Akzeptanz von Windkraft-Mythen steckt
Aktuelle Studien zeigen, dass Falschinformationen über Windräder weit verbreitet sind. Über ein Viertel der Befragten in repräsentativen Umfragen stimmt einer Vielzahl von Falschinformationen zu. Ob Menschen den Falschinformationen zustimmen, ist dabei weniger eine Frage fehlenden Wissens als eine der Weltanschauung. Vor allem ein verschwörerisches Weltbild trägt zur Akzeptanz von Falschinformationen bei. Diese Ergebnisse zeigen, welche Herausforderung der Umgang mit Falschinformationen (nicht nur über Windräder) darstellt.
Der Ausbau erneuerbarer Energien wie Windkraft oder Solarenergie wird als wichtiger Baustein zur Senkung der globalen CO2-Emissionen angesehen. Die Verbreitung von Falschinformationen stellt eine potentielle Gefahr auf dem Weg zur Klimaneutralität dar, weil sie die Akzeptanz von notwendigen Klimaschutzmaßnahmen in der Bevölkerung beeinträchtigen könnte. Tatsächlich zielen Desinformationskampagnen im Internet in zunehmendem Maße auf erneuerbare Energien ab (Coan et al., 2021). Zudem werden Falschinformationen über Windräder von einflussreichen Persönlichkeiten wie dem ehemaligen und zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump verbreitet. Doch wie hoch fällt die Zustimmung zu falschen und irreführenden Behauptungen über Windenergie in der Bevölkerung aus? Und von welchen psychologischen Faktoren hängt es ab, ob Menschen solchen Behauptungen zustimmen? Ist es eine Frage fehlenden Wissens oder der Weltanschauung?
Breite Zustimmung zu Falschinformationen über Windräder
Aktuelle repräsentative Studien mit mehr als 6000 Befragten in Australien, Großbritannien und den USA zeigen, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung Falschinformationen über Windräder zustimmt (Winter et al., 2024). Als Falschinformationen (engl. „Misinformation“) wurden hierbei täuschende oder irreführende Behauptungen verstanden, welche dem Stand der Forschung oder der Meinung anerkannter Fachleute zu einem Thema zuwiderlaufen. Je nach Land stimmten 36 bis 47 Prozent der Befragten der Behauptung zu, die Regierung halte wichtige Informationen zurück, die gegen den Ausbau der Windenergie sprechen. 25 bis 36 Prozent waren der Meinung, Windräder würden mehr CO2 produzieren als durch deren Betrieb eingespart würde. Immerhin 15 bis 26 Prozent glaubten, Windräder würden bei den Anwohnenden schwere gesundheitliche Probleme wie Krebs verursachen. Über ein Viertel aller Befragten stimmte mehr als der Hälfte der präsentierten Falschinformationen zu. Es handelt sich hierbei also nicht um ein Randphänomen, sondern um eine Problematik, die weite Teile der Bevölkerung betrifft.
Keine Frage des Wissens, sondern der Weltanschauung
Um Ansatzpunkte für den Umgang mit Falschinformationen zu finden, ist es wichtig zu verstehen, welche psychologischen Faktoren der Zustimmung zugrunde liegen. In der genannten Studie zeigte sich, dass wissensbezogene Faktoren kaum eine Rolle spielten. So glaubten Teilnehmende mit einem hohen wissenschaftlichen Faktenwissen nur in geringem Maße weniger an die Falschinformationen. Ein höherer Bildungsgrad schützte hingegen überhaupt nicht vor dem Glauben an Falschinformationen. Ob Menschen Falschinformationen über Windräder zustimmen, ist also keine Frage mangelnden Wissens oder geringer Bildung. Stattdessen zeigte sich, dass die grundlegenden Überzeugungen oder Weltanschauungen der Befragten eine weitaus größere Rolle spielten. Menschen, die generell über den Einfluss des Menschen auf die Umwelt besorgt sind – also eine sogenannte pro-ökologische Weltanschauung vertreten – stimmten den Falschinformationen weniger zu. Dahingegen zeigte sich, dass ein verschwörerisches Weltbild – also die Neigung, generell an Verschwörungen hinter gesellschaftlichen Ereignissen zu glauben – die Zustimmung zu den Falschinformationen am stärksten vorhersagte. Das könnte die Wirksamkeit von rein faktenbezogenen Informationskampagnen einschränken. Denn solange die Fakten nicht ins eigene Weltbild passen, werden diese vermutlich abgelehnt.
Was bedeutet das für lokale Windenergieprojekte?
Es ist wichtig festzuhalten, dass Menschen, die gegen den Bau eines Windparks sind, nicht zwangsläufig Falschinformationen oder Verschwörungstheorien anhängen. Es kann durchaus auch sachliche und nachvollziehbare Gegenargumente geben, die in den demokratischen Diskurs und in die Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden müssen. Die Studie zeigt aber, dass der Glaube an Falschinformationen Menschen zum Protest gegen Windräder motivieren kann. Für die Praxis heißt das, dass ein Weg gefunden werden muss, um den Einfluss von Falschinformationen zu verringern. Hilfreich könnte es sein, sogenannte „Prebunking“-Strategien einzusetzen, die Menschen auf den Umgang mit Falschinformationen vorbereiten. Auch der Einsatz von Argumenten, die für Menschen mit geringerem Umweltbewusstsein relevant sind – beispielsweise zu finanziellen Beteiligungsmöglichkeiten oder einer unabhängigeren Energieversorgung – könnte eine sinnvolle Ergänzung sein. Insgesamt stellt die Verbreitung von Falschinformationen (nicht nur über Windenergie) eine Herausforderung für diejenigen dar, die sich für Klimaschutz und eine nachhaltige Transformation der Gesellschaft einsetzen. Mit den richtigen Maßnahmen könnte es aber möglich sein, ihr effektiv zu begegnen.
Literaturverzeichnis
Coan, T. G., Boussalis, C., Cook, J., & Nanko, M. O. (2021). Computer-assisted classification of contrarian claims about climate change. Scientific Reports, 11(1), 22320. https://doi.org/10.1038/s41598-021-01714-4
Winter, K., Hornsey, M. J., Pummerer, L., & Sassenberg, K. (2024). Public agreement with misinformation about wind farms. Nature Communications, 15, 8888. https://doi.org/10.1038/s41467-024-53278-2
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