Wo die Welt noch in Ordnung ist. Von politischen Fundis und VerschwörungstheoretikerInnen.
Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur. Ihre Thesen sind spätestens seit PEGIDA und Trump, „Systempresse“, „Fake-News“ und „alternativen Fakten“ salonfähig geworden. Aber was haben die Leute, die an Verschwörungstheorien glauben, eigentlich gemeinsam? Zwei zugrunde liegende psychologische Motive liefern eine Erklärung.
Immer wenn ich auf YouTube Videos von Daniele Ganser und Ken Jebsen vorgeschlagen bekomme, frage ich mich: Wer schaut sich das eigentlich an? Die beiden gehören zu einer neuen Sparte von Social Media-Stars und vertreten Thesen wie etwa, dass die CIA die Maidan-Revolution in der Ukraine und den dortigen Bürgerkrieg angezettelt hat, 9/11 von der amerikanischen Regierung selbst initiiert wurde und Zionisten die Massenmedien unterwandert hätten, um als mediale Massenvernichtungswaffe im Sinne Israels zu fungieren. Doch glühende AnhängerInnen solcher Verschwörungstheorien (oder nennen wir sie, unkonventionelle Erklärungsmuster sozialer Ereignisse) trifft man immer wieder, denn sie haben sich dank der sozialen Medien zu einem bedeutenden subkulturellen Phänomen entwickelt (Wood, Douglas, & Sutton, 2011). Es sind Menschen, die behaupten, die Erde wäre in Wirklichkeit flach (Flat-Earth-Theorists) und alle Weltraumdarstellungen sogenannte CGIs (computer generated images) oder andere, die behaupten, Angela Merkel versuche durch die Aufnahme von Flüchtlingen, den sogenannten „Genpool der Deutschen“ nachhaltig zu vermischen. Neben fragwürdigen Theorien erhält man meist auf Nachfrage diverse Beispiele und Belege, die die kruden Thesen unterstützen. Mit anderen Worten, sehr oft sind Verschwörungstheorien gar nicht so einfach zu widerlegen und die Personen dahinter sicher alles andere als dumm.
Was sind das also für Menschen, die in zunehmendem Maße auf den sozialen Medien ihre Version der Realität verbreiten? Neuere Forschung zeigt, es sind eher Personen mit extrem linken oder rechten politischen Einstellungen, die an Verschwörungstheorien glauben, als Personen mit moderaten politischen Einstellungen (van Prooijen, Krouwel, & Pollet, 2015). Personen mit politisch extremen Einstellungen haben häufig das Bedürfnis, den Dingen einen Sinn zu geben und mit einer Schwarz-weiß-Sicht auf die Welt, einfache Lösungen für gesellschaftliche Problem liefern zu können. Das reduziert Komplexität und schafft Sicherheit. Genau dieses Motiv, Unsicherheit zu reduzieren, indem man bedrohlichen sozialen Ereignissen einen Sinn gibt und klare kausale Erklärungen liefert, liegt auch VerschwörungstheoretikerInnen zugrunde.
Ein weiteres Charakteristikum von VerschwörungstheoretikerInnen, das sich auch bei Personen mit extremen politischen Einstellungen wiederfindet, ist ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber Institutionen (Inglehart, 1987). Dieses generelle Misstrauen ist so ausgeprägt, dass es oft noch nicht mal eine Rolle spielt, ob sich die verschiedenen Verschwörungstheorien widersprechen. Je stärker Probanden beispielsweise daran glaubten, dass Osama Bin Laden bereits tot war, als US Spezialeinheiten auf sein Grundstück in Pakistan eindrangen, desto stärker glaubten sie auch daran, dass er immer noch am Leben ist (Wood et al., 2011). Es scheint also weniger wichtig zu sein, was eine bestimmte Theorie letztendlich aussagt, als dass in der Essenz der Geschichte irgendwelche ominösen Autoritäten versuchen, in einem geheimen Abkommen ein verstecktes, egoistisches und bösartiges Ziel zu erreichen, da dies der generellen Sicht der Menschen auf die Welt entspricht (van Prooijen et al., 2015).
Wer sind nun also die Menschen, die dazu neigen, an Verschwörungstheorien zu glauben? Die zugrunde liegenden Motive liefern die Erklärung. Menschen mit einem hohen Bedürfnis, Dinge zu erklären, gepaart mit einem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber mächtigen staatlichen Institutionen oder Randgruppen (wie Juden), neigen stärker dazu, an Verschwörungstheorien zu glauben. Übrigens: In einem anderen Blog-Artikel wird erklärt, was man gegen politisch extreme Einstellungen und die allzu einfachen Lösungsvorschläge für komplexe Probleme tun kann (Schuler, 2015). Vielleicht fangen wir mit den VerschwörungstheoretikerInnen mal genauso an. Und zum Schluss: Ein paar Statistiken, wie viele Menschen an bestimmte Verschwörungstheorien glauben (siehe Sunstein & Vermeule, 2009):
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Die US-Regierung wusste vorab, dass Angriffe am oder um den 11. September 2001 herum geplant waren und unternahm nichts dagegen (49 % der befragten New Yorker Bürger)
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Bundesbeamte der USA nahmen entweder an den Attacken auf das World Trade Center teil oder unternahmen nichts dagegen (36 % der befragten US-Bürger)
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Der Zusammensturz der Twin-Towers in New York wurde entweder ziemlich oder einigermaßen wahrscheinlich mithilfe von heimlich angebrachten Sprengstoffen verursacht (16 % der befragten US-Bürger)
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Die Attacken auf die Vereinigten Staaten am 11. September 2001 hatten nichts mit Osama Bin Laden zu tun und waren eigentlich ein Plan einflussreicher US-AmerikanerInnen (22 % der befragten KanadierInnen)
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Unter anderem wurde der Tod von sechs US-Präsidenten, der Aufstieg Hitlers, die Finanzkrise in Asien 97-98 und die Umweltzerstörung in der Dritten Welt durch die Bankendynastie Rothschild verursacht (Bestseller „Currency Wars“ aus China).
Quellen:
Inglehart, R. (1987). Extremist political position and perceptions of conspiracy: Even paranoids have real enemies. In C. F. Graumann & S. Moscovici (Eds.), Changing conceptions of conspiracy (pp. 231–244). New York, NY: Springer-Verlag.
Schuler, J. (2015). Kann man die abschalten? Wie man mit Leuten umgeht, die immer schon die Lösung für alle gesellschaftspolitischen Probleme unserer Zeit kennen. In-Mind-Blog. Retrieved from: http://de.in-mind.org/blog/post/kann-man-die-abschalten-wie-man-mit-leuten-umgeht-die-immer-schon-die-loesung-fuer-alle - http://de.in-mind.org/blog/post/kann-man-die-abschalten-wie-man-mit-leuten-umgeht-die-immer-schon-die-loesung-fuer-alle
Sunstein, C. R., & Vermeule, A. (2009). Conspiracy theories: Causes and cures. The Journal of Political Philosophy, 17(2), 202–227.
Wood, M. J., Douglas, K. M., & Sutton, R. M. (2012). Dead and alive: Beliefs in contradictory conspiracy theories. Social Psychological and Personality Science, 3(6), 767–773.
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