Wo ist nur die Zeit geblieben? – Warum die Zeit scheinbar schneller vergeht, wenn wir älter werden

Die Zeit ist ein Phänomen, das uns ständig begleitet, aber schwer zu fassen ist. Es scheint, als verginge sie immer schneller, je älter wir werden. Aber warum empfinden wir das so? Dieser Beitrag bringt Klarheit darüber und zeigt auf, was Augenbewegungen mit unserer Zeitwahrnehmung zu tun haben.

„Wo ist nur die Zeit hin?“, „Die Jahre verfliegen wie im Nu“, „Es fühlt sich an, als wäre es gestern gewesen“ - solche Gedanken kommen uns immer öfter, je älter wir werden. Als Kinder schienen die Sommerferien endlos zu sein. Doch jetzt rasen Tage, Wochen und Jahre vorbei, und schon sind die eigenen Kinder erwachsen, und wir sind um ein weiteres Jahrzehnt gealtert. Wodurch kommt diese Veränderung in unserer Zeitwahrnehmung?

Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle. Eine Antwort liegt in der Unterscheidung zwischen zwei Arten von Zeit: der von Uhren gemessenen Zeit und der von unserem Bewusstsein wahrgenommenen mentalen Zeit. Die Uhrenzeit schreitet stetig und gleichmäßig voran und ist messbar, aber unsere mentale Zeit ist subjektiv und verändert sich. Die Zeit, die eine Person wahrnimmt, ist nicht dieselbe wie die Zeit, die eine andere Person wahrnimmt. Unsere mentale Zeit basiert auf der Abfolge von Eindrücken, die unsere Sinnesorgane aufnehmen und unser Gehirn verarbeitet. Jeder Augenblick ist das Ergebnis dieser Abfolge von Sinneseindrücken, die uns eine Vorstellung von unserer Umwelt vermitteln.

Im Laufe des Lebens verlangsamt sich die Aufnahme und Verarbeitung von Bildern im Gehirn. Dies geschieht aus verschiedenen Gründen. Einerseits werden die neuronalen Netzwerke im Gehirn größer und komplexer, was zu längeren Verarbeitungswegen und einer erhöhten Verarbeitungsdauer führt. Andererseits unterliegen diese neuronalen Wege dem Alterungsprozess, wodurch die elektrischen Signale im Laufe der Zeit aufgrund eines zunehmenden Widerstands langsamer werden (Bejan, 2019).

Eine wichtige Rolle in unserer visuellen Wahrnehmung spielen Sakkaden. Sakkaden sind schnelle Augenbewegungen, die es uns ermöglichen, verschiedene Bereiche unserer Umgebung genauer zu betrachten. Sie beeinflussen die Geschwindigkeit, mit der wir Veränderungen in unseren mentalen Bildern wahrnehmen. Daneben gibt es Fixationen. Fixationen sind kurze Zeiträume, in denen die Augen ruhig und auf einen Punkt oder ein Objekt in der Umgebung fixiert sind, ohne schnelle Augenbewegungen (Sakkaden) zu machen. Während einer Fixation nehmen die Augen visuelle Informationen von dem fixierten Punkt auf, und diese Informationen werden dann an das Gehirn weitergeleitet. Fixationen sind notwendig, um klare und stabile visuelle Eindrücke zu erhalten, während sich die Augen bewegen. Während sich im Verlauf des Kindes- und Jugendalters die Reaktionszeiten von Sakkaden stark verändern,  bleiben die Reaktionszeiten im Laufe des Lebens relativ stabil bleiben (200-250 ms). Die Fixationszeiten hingegen nehmen in Erwachsenenalter weiter zu (Butler et al., 1999)

Die Zeit, die benötigt wird, um ein mentales Bild zu bilden und zu übertragen, wird also im Alter länger. Das bedeutet, dass unser Gehirn mehr Zeit benötigt, um Informationen zu verarbeiten, wenn wir älter werden. Wir nehmen die Welt also langsamer wahr. Dies hat zur Folge, dass wir weniger „Bilder“ oder Eindrücke pro Sekunde in unserem Kopf haben. Die Uhrenzeit hingegen ändert sich nicht mit dem Alter. Dieser Unterschied zwischen Uhrenzeit und mentaler Zeit erklärt, warum die Zeit subjektiv schneller zu vergehen scheint, wenn wir älter werden. Unsere mentalen Bilder werden seltener, und die Zeit „tickt“ im Verhältnis schneller. Es ist also keine Einbildung wenn wir das Gefühl haben, dass die Zeit schneller vergeht, wenn wir älter werden (Bejan, 2019).

Literaturverzeichnis

Bejan, A. (2019). Why the Days Seem Shorter as We Get Older. European Review, 27(02), 187–194. https://doi.org/10.1017/s1062798718000741

Butler, K. M., Zacks, R. T., & Henderson, J. M. (1999). Suppression of reflexive saccades in younger and older adults: Age comparisons on an antisaccade task. Memory & Cognition, 27(4), 584–591. https://doi.org/10.3758/bf03211552