Wer bin ich und wie soll ich mich ernähren?
Die Jugend ist ein Lebensabschnitt der Orientierung – das ist lange bekannt. Überraschend ist aber das Ergebnis einer Langzeitstudie, die aufzeigt, wie langfristig und nachhaltig der Einfluss einer einzigen Gleichaltrigen auf das Essverhalten junger Frauen sein kann.
Diätversuche der Zimmergenossin auf dem College beeinflussen das Essverhalten von jungen Frauen über den Zeitraum von zehn Jahren – und vermutlich länger. Zu diesem Ergebnis kam eine Langzeitstudie an der 800 Frauen und 400 Männer teilnahmen (Keel, Forney, Heatherton & Brown, 2013). Die TeilnehmerInnen wurden ca. 20-jährig im Jahr 1992 zu ihren Essgewohnheiten (z. B. Diätversuche), dem Wunsch, dünn zu sein, und typischen Symptomen von Essstörungen (z. B. selbst hervorgerufenes Erbrechen) befragt. Die TeilnehmerInnen waren damals in ihrem ersten Collegejahr. Die Wissenschaftler erhoben auch noch, ob die Zimmergenossinen und -genossen nie, selten, manchmal, oft oder immer) diätierten. Es gelang den Forschern 99% der TeilnehmerInnen im Jahr 2002 wieder zu kontaktieren, von diesen Personen nahmen knapp 80 % erneut an der Befragung zu den gleichen Themen teil.
Nun errechneten die Forscher, welche der im Jahr 1992 erhobenen Merkmale mit einer gesunden oder ungesunden Entwicklung des Essverhaltens im Jahr 2002 einherging. Als ungesundes Essverhalten wurden dabei Bulimiesymptome und ein übersteigerter Wunsch, dünn zu sein, gewertet. Für Männer ergab diese Rechnung keine bedeutsamen Merkmale, die mit gesundem oder ungesundem Essverhalten zehn Jahre später einhergingen. Bei den Frauen jedoch wurde die negative Wirkung einer diätierenden Mitbewohnerin deutlich (zusätzlich zum Diätverhalten der Mutter und eigenem Übergewicht). Diese Wirkung gilt sowohl für Frauen, die bei der ersten Erhebungswelle gering ausgeprägte Probleme mit Essen hatten, als auch für solche, die schon 1992 von diesen Problemen betroffen waren.
Die Autoren der Studie weisen mit ihren Daten darauf hin, wie sensibel junge Frauen auch noch in der späteren Jugend für soziale Einflüsse von Gleichaltrigen beim Thema Essen und Figur sind. Dies ist besonders alarmierend, da Diät zu halten als ein häufiges und akzeptiertes Verhalten gilt, wie ein Blick in zahlreiche Frauenzeitschriften bestätigt. In den Daten steckt aber gleichzeitig auch ein Hinweis zur Prävention von Essproblemen: Zimmergenossinnen, die nie diätieren, helfen, das Thema nachhaltig zu den Akten zu legen.
Quelle:
Keel, P. K., Forney, K. J., Heatherton, T. F., & Brown, T. A. (2013). Influence of College Peers on Disordered Eating in Women and Men at 10-Year-Follow-Up. Journal of Abnormal Psychology, 122 (1), 105-110. DOI: 10.1037/a0030081.
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