Bill Gates' Mug Shot
Gründer/innen und Unternehmer/innen stellen in heutigen wissens- und innovationsbasierten Gesellschaften eine Art „Avantgarde“ dar. Aber gibt es eine „dunkle Seite“ des Unternehmertums? Gibt es einen versteckten Zusammenhang zwischen antisozialen Verhaltensweisen und Unternehmergeist? Oder lassen sich in Gründerbiographien Hinweise für milde regelbrechende Tendenzen als Vorboten produktiver, innovativer Gründerkarrieren finden?
Ein Mug Shot ist ein von der Polizei im Zuge einer Verhaftung aufgenommenes photographisches Portrait. Ein solches Mug Shot wurde auch am 13.12.1977 im Albuquerque Police Department im Bundesstaat New Mexico (USA) aufgenommen (siehe das Bild links). Darauf zu sehen ist ein smarter, intelligent dreinblickender junger Mann mit einem leicht verschmitzten Lächeln; eher der nette, „nerdige“ Typ von nebenan als ein delinquenter Tunichtgut, mag man denken. In der Tat, das Foto zeigt niemand anderen als Bill Gates, einen der erfolgreichsten Gründer und Unternehmer unserer Zeit. Neben seiner Schlüsselrolle in der sogenannten Computer-Revolution der 70-er und 80-er Jahre des letzten Jahrhunderts als Mitgründer von Microsoft ist er heute vor allem auch als Philanthrop bekannt, der einen großen Teil seines Vermögens wohltätigen Zwecken stiftet. Bill Gates wurde damals, Medienberichten zufolge, für wiederholte Vergehen im Straßenverkehr verhaftet.
Auf den ersten Blick mag das Foto zu einem in Deutschland gängigen Klischee passen; dem Klischee von antisozialen Unternehmer/innen, die vor allem auf den eigenen Vorteil bedacht sind und soziale und ethische Normen unterwandern. So berichten Medien in steter Regelmäßigkeit und in großen Lettern über Unternehmer/innen, die gerade vor Gericht stehen oder verurteilt werden. Auch wird eine „dunkle Triade“ der Persönlichkeit bei Gründer/innen vermutet. Gibt es also eine „dunkle Seite“ des Unternehmertums? Was sagt die Forschung zu diesem Thema?
Hierzu führten jüngst Psychologen der Universität Jena zusammen mit Kollegen der Universität Stockholm eine Studie durch, um möglichen antisozialen Tendenzen in Gründerbiographien auf die Spur zu kommen (Obschonka, Andersson, Silbereisen, & Sverke, 2013). Dazu wurde ein schwedischer Datensatz von ca. 650 Teilnehmer/innen einer prospektiven Längsschnittstudie, die einen Schulklassenjahrgang der schwedischen Stadt Örebro über 37 Jahre begleitete, neu analysiert. Unter anderem wurden Polizeiregister der Studienteilnehmer/innen analysiert sowie Informationen zu mildem Regelbrechen in der Jugend in Bezug auf das Verhalten in der Familie (z.B. Elterliche Gebote missachten, ohne Erlaubnis länger abends draußen bleiben), in der Schule (z.B. bei Klausuren abschreiben, Schule schwänzen) und in der Freizeit (z.B. Haschisch rauchen, etwas stehlen im Geschäft) gesammelt.
Es zeigte sich, dass die Studienteilnehmer/innen, die in ihrer beruflichen Karriere ein Unternehmen gegründet hatten, mehr solch mildes regelbrechendes Verhalten in der Jugend gezeigt haben als Nicht-Gründer/innen. Es gab allerdings keine Unterschiede in schwerwiegendem Regelbrechen wie Delinquenz und von der Polizei registrierte Vergehen und Verbrechen. Auch ließen sich keine Unterschiede in antisozialen Einstellungen zwischen Gründer/innen und Nicht-Gründer/innen feststellen. Diese Befunde galten vor allem für die männlichen Studienteilnehmer. Damit deuten die Ergebnisse in der Tat darauf hin, dass ein gewisses, sich im Rahmen haltendes Rebellentum in der Jugend ein Entwicklungsvorbote innovativen Unternehmertums ist. Damit stützen diese längsschnittlichen Befunde eine kürzlich durchgeführte retrospektive Studie, die ähnliche Ergebnisse im Unterschied Manager/innen vs. Unternehmer/innen gefunden hatte (Zhang & Arvey, 2009). Zudem ist jüngst eine weitere längsschnittliche Studie aus den USA erschienen, wonach mildes Regelbrechen in der Jugend nicht nur unternehmerische Aktivität sondern auch unternehmerischen Erfolg vorhersagt (Levine & Rubinstein, 2013). Hierbei, so die Studie, ist vor allem eine Mischung aus mildem Regelbrechen und kognitiven Fähigkeiten ausschlaggebend: die kreativen, intelligenten Regelbrecher/innen haben also eine höhere Wahrscheinlichkeit, zu erfolgreichen Unternehmern zu werden – womit sich der Kreis zu Bill Gates‘ Mug Shot ja eigentlich wieder schließt.
Quellen
Obschonka, M., Andersson, H., Silbereisen, R. K., & Sverke, M. (2013). Rule-breaking, crime, and entrepreneurship: A replication and extension study with 37-year longitudinal data. Journal of Vocational Behavior, 83, 386-396.
Wenn Sie sich für dieses Thema interessieren, finden Sie hier einen ausführlichen Artikel von Martin Obschonka dazu. Viel Spaß beim Lesen!
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