Das in-mind WM-Special: „Good, creative, better“ – der Einfluss von Kreativität auf Torerfolge im Profifußball

Pelé war es. Messi ist es. Und Cristiano Ronaldo sowieso. Die Rede ist vom kreativen Fußballspieler, dem Zauberer, der etwas völlig Unvorhersehbares tut, den Gegner überrascht und seiner Mannschaft damit eine Chance erspielt. Doch ist Kreativität tatsächlich ein Erfolgsfaktor im Profifußball?
 
Bild 1: Menschen beim FußballspielenBild 1: Menschen beim FußballspielenEmpirische Belege gibt es dazu bislang nicht. Nun haben Matthias Kempe und Daniel Memmert vom Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik der Deutschen Sporthochschule Köln neue Erkenntnisse dazu gewonnen: Die Studie untersucht das Kreativitätsniveau von erfolgreichen Torschüssen im Fußball und wurde im Journal of Sports Sciences veröffentlicht; der Titel des Papers: Good, better, creative”: the influence of creativity on goal scoring in elite soccer. 

Im Finale der Fußball-WM 2010 in Südafrika bezwang Spanien die Niederlande mit einem 1:0. Vier Jahre später machte Mario Götze mit einem einzigen Finaltreffer Deutschland zum Weltmeister. Und bei der Europameisterschaft 2016 reichte auch den Portugiesen ein einziges Tor zum EM-Sieg über Frankreich. Die drei Beispiele zeigen, dass in vielen Fällen ein einziger spezieller Moment den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmacht – ein besonders kreativer Moment? Doch was bedeutet eigentlich Kreativität im Fußball? „Unter Kreativität im Fußball verstehen wir besonders überraschende, originelle und flexible, taktische und motorische Lösungen, zum Beispiel No-Look-Pässe; Schnittstellenbälle oder bestimmte Dribblings und Laufwege“, erklärt Universitätsprofessor Dr. Daniel Memmert.

Das Thema Kreativität im Fußball wurde in den letzten Jahren bereits umfangreich beforscht. „Aber neben all dieser Forschung gibt es keinen empirischen Beleg dafür, dass Kreativität ein entscheidender Faktor für den Erfolg im Profifußball ist“, sagt Memmert. Dieser Zusammenhang wurde bislang noch nicht in offiziellen Matches untersucht. Daher nahmen Memmert und sein Autorenkollege Matthias Kempe alle Spiele der vergangenen beiden Fußballweltmeisterschaften (2010 und 2014) und der Fußballeuropameisterschaft 2016 genauestens unter die Lupe. Analysiert wurden dabei alle Tore, die aus dem Spiel heraus entstanden: Das waren 311 Tore in 153 Spielen. In der vorliegenden Studie machten es sich die beiden Autoren zu Aufgabe, jene Spielsituationen und -aktionen auszuwerten, die im Einzelfall zum Torerfolg führten. Einbezogen wurden die jeweils letzten acht Aktionen, die das Tor herbeiführten. Zur Bewertung des Kreativitätsniveaus wurden Experten hinzugezogen, die das Creativity Performance Rating von Memmert und Roth (2007) anwendeten. „Wir haben angenommen, dass das Kreativitätsniveau im Laufe dieser acht Aktionen zum Torschuss hin ansteigt“, erklärt Memmert eine Hypothese. Zudem wollten die Wissenschaftler herausfinden, ob jene Mannschaften, die im Turnier erfolgreich waren, auch beim Torerfolg kreativer agierten.

Drei Fußballexperten mit UEFA-Lizenzen hatten die Aufgabe, die Aktionen vor dem Torschuss bezogen auf die Kreativleistung auf einer Skala von 1 bis 10 zu bewerten, wobei 1 ein deutlich unterdurchschnittliches und 10 ein deutlich überdurchschnittliches Kreativitätsniveau bedeutete. Die Ergebnisse zeigen, dass das Kreativitätsniveau ansteigt, je näher der Torabschluss rückt“, fasst Memmert die Ergebnisse zusammen. Vor allem die siebte Aktion, der „entscheidende Pass“ (Assist), bekam im Mittel den höchsten Kreativitätswert. Insgesamt weisen die letzten drei Aktionen vor dem Torschuss signifikant höhere Kreativitätswerte auf als die Aktionen davor. Auch wenn diese Werte nur knapp über dem Durchschnittswert liegen, zeigt das umso mehr, dass hochgradig kreative Lösungen extrem selten sind. Die Experten bewerteten lediglich 172 von über 1.800 Aktionen als hochgradig kreativ mit einem Wert von 8 und höher auf der Kreativitätsskala. Andererseits enthielten die Aktionsabfolgen bei fast der Hälfte aller Tore (46 %) mindestens eine Aktion mit hohem Kreativitätsniveau. Bei den sehr erfolgreichen Teams der drei Turniere lag der Wert sogar bei 63%.

Memmert und Kempe konnten zudem zeigen, dass Kreativität auch erfolgreiche von weniger erfolgreichen Teams eines Turniers unterscheidet. Das ist zwar zunächst nichts Ungewöhnliches, konnte so allerdings bislang noch nicht empirisch nachgewiesen werden. „Mit unseren Ergebnissen können wir weiter untermauern, dass das Training kreativen Verhaltens nicht nur dem Nachwuchsbereich zugutekommen sollte, sondern durchaus auch im Profifußball seine Berechtigung hat“, schlussfolgert Memmert und empfiehlt: „Trainer sollten ihre Spieler immer wieder ermutigen, kreative Lösungen zu suchen, auch wenn diese nicht immer zum Erfolg führen. Es bleibt eine der drängendsten Fragen unseres Forschungsgebietes, wie diese Erkenntnisse und Ansätze in den täglichen Trainingsbetrieb im Profifußball integriert werden können.“ Die Ergebnisse der vorliegenden Studie könnten hier vielleicht etwas Überzeugungsarbeit leisten.

Literaturverzeichnis

Kempe, M., & Memmert, D. (2018). “Good, better, creative”. The influence of creativity on goal scoring in elite soccer. Journal of Sports Sciences, 1-5.

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Bild 1: Ian Higbee via Unsplash , CC