"Beat the Prof" Quiz: Reue

Was macht echte Reue eigentlich aus? Was halten wir von Menschen, die eine schlechte Tat bereuen? Ist Rache süß, wenn sie zu Reue führt? Friederike Funk erläutert im In-Mind Blog die Antworten auf ihre 12 Fragen im Beat the Prof Quiz auf Zeit online.

ReueWenn Sie sich dem Quiz selbst noch stellen wollen, bevor Sie die Antworten lesen, können Sie es hier bei Zeit Campus aufrufen.

Sei es bei öffentlichen Fällen, über die wir in den Nachrichten lesen (z. B. Beate Zschäpe, Uli Hoeneß, Sebastian Edathy oder VW) oder in unserem privaten Leben, wenn wir uns von anderen Menschen ungerecht behandelt, hintergangen oder verletzt fühlen: wir interessieren uns sehr dafür, ob diese Menschen Reue empfinden oder nicht. Im Beat the Prof Quiz haben Sie einige Fragen zum Thema Reue beantwortet und dadurch einen kleinen Einblick darüber gewonnen, was die psychologische Forschung über die Wirkung von Reue herausgefunden hat. Hier können Sie noch einmal die Zusammenfassung lesen.

Reue ist ein unangenehmes Gefühl von Schuld, das man wegen einer begangenen Tat empfindet. Man steht zum eigenen Fehlverhalten und übernimmt Verantwortung für das, was man getan hat. Reue geht einher mit dem Wunsch, das Geschehene wieder gut zu machen, zum Beispiel indem Reue kommuniziert wird, indem man die geschädigte Person entschädigt, indem man Buße tut oder indem man sich zukünftig anders verhält (Ekman, 1993; Proeve & Tudor, 2010; Slovenko, 2006).

Um Geld zu sparen, hat Max keine Konzertkarten für seine Lieblingsband gekauft. Das bereut er nun zutiefst. Wofür ist das ein Beispiel? 

  • Bedauern  

  • Reue 

  • Schuldgefühle 

 

Weil er knapp bei Kasse ist, hat Max seine Freundin nicht ins Restaurant eingeladen, obwohl er findet, dass sie nur das Beste verdient. Das bereut er nun zutiefst. Wofür ist das ein Beispiel? 

  • Reue 

  • Schuldgefühle 

  • Bedauern 

 

Was trifft am ehesten zu? Wer echte Reue empfindet … 

  • denkt an die Konsequenzen seines Handelns für Andere. 

  • hat das Gefühl, im Leben etwas verpasst zu haben 

  • möchte vor allem verstehen, warum er so gehandelt hat. 

 

Was ist über die soziale Funktion von Reue bekannt? 

  • Sie ist negativ: der Täter wird stigmatisiert. 

  • Sie ist positiv: der Täter möchte es wieder gut machen. 

  • Sie ist bisher unbekannt. 

Im alltäglichen Sprachgebrauch benutzt man das Wort “Reue” häufig sowohl für Reue im Sinne des englischen Wortes „remorseals auch für Reue im Sinne des englischen Wortes regret, das auch mit Bedauern übersetzt werden kann. Psychologisch gesehen sind Reue und Bedauern nicht dasselbe (Proeve & Tudor, 2010; Taylor, 1996). Bedauern kann über jede Art von Ereignis gefühlt werden. Im Beispiel „bereut“ Max es, dass er keine Konzertkarten für seine Lieblingsband gekauft hat. Oder manche „bereuen“ es, doch noch das dritte Stück Schokoladentorte gegessen zu haben. Reue im Sinn von „remorseder Fokus dieses Artikels – ist mehr als bloßes Bedauern: wer bereut, möchte eine eigene Tat wieder rückgängig machen und die Konsequenzen für den anderen wieder gut machen. Zum Beispiel, wenn Max es bereuen würde, dass er von seinem Vater Geld gestohlen hat, um Karten für seine Lieblingsband kaufen zu können. Reue muss man auch von allgemeinen Schuldgefühlen unterscheiden (Proeve & Tudor, 2010; Taylor, 1996). Hat jemand Schuldgefühle, „bereut“ er vielleicht eine Tat, weiß aber zugleich, dass er wieder so handeln würde. Zum Beispiel, wenn Max seine Freundin nicht ins Restaurant eingeladen hat, weil er knapp bei Kasse ist. Schuldgefühle lenken den Blick auf das eigene Versagen, wohingegen Reue den Blick auf einen anderen Menschen lenkt. Wer echte Reue empfindet, fühlt sich für eine Tat verantwortlich und möchte sie wieder gut machen. Daher denkt man vor allem an die Konsequenzen, die die eigene Tat auf die geschädigte Person hatte.  

Die feinen Unterscheidungen zwischen Reue, Bedauern und Schuldgefühl sind aus wissenschaftlicher Sicht wichtig, um in psychologischen Untersuchungen genau die richtige Emotion zu erforschen. In der Realität können diese Unterschiede weniger klar zu Tage kommen, da man auch alle Gefühle auf einmal haben kann (Proeve & Tudor, 2010)

 

Wer Reue zeigt, gesteht die Verantwortung für eine Tat ein. Daher… 

  • sind wir eher mit einer milderen Bestrafung zufrieden. 

  •  … fordern wir eher eine härtere Bestrafung. 

  •  … schwanken wir zwischen Härte und Nachgiebigkeit. 

 

Wenn jemand Reue zeigt, glauben wir, dass er die Tat in Zukunft  

  • … wiederholen wird. 

  • … wahrscheinlich nicht wiederholen wird. 

  • … zwar wiederholen wird, aber auf andere Weise. 

Reue wirkt auf andere positiv: Viele Studien konnten zeigen, dass wir den Charakter von reuevollen Menschen positiver bewerten als den von reuelosen Menschen (Darby & Schlenker, 1989; Robinson, Smith-Lovin, & Tsoudis, 1994; Taylor & Kleinke, 1992; Tsoudis & Smith-Lovin, 1998). Außerdem glauben wir, dass reuevolle TäterInnen die Tat wahrscheinlich nicht noch einmal begehen werden, und fordern daher geringere Strafen für sie (Bornstein, Rung, & Miller, 2002; Gold & Weiner, 2000; Pipes & Alessi, 1999; Rumsey, 1976). In vielen Ländern ist Reue sogar als mildernder Umstand in den Gesetzestexten verankert (z.B. in Australien, Kanada, England, Wales, Neuseeland, Singapur und in den USA, siehe Proeve & Tudor, 2010)

 

Wann hat es vor allem einen Effekt auf uns, dass jemand Reue zeigt? 

  • In Eigengruppen, wenn der Täter einer von uns ist. 

  • In Fremdgruppen, wenn der Täter nicht zu uns gehört. 

  • Immer, ganz egal, wer Reue zeigt. 

Reue muss als authentisch und echt empfunden werden, um diese positive Wirkung zu haben. Dazu muss man der reuevollen Person erst einmal zutrauen, überhaupt Reue empfinden zu können. Dies ist jedoch nicht immer der Fall: Mitgliedern von Fremdgruppen, also Menschen aus anderen Ländern, einer anderen Stadt, oder auch nur Fans eines anderen Sportvereins trauen wir in der Regel weniger zu, dass sie komplexe Emotionen wie Reue empfinden. Somit führt Reue, die von Mitgliedern einer Fremdgruppe gezeigt wird, unter Umständen nicht zu denselben positiven Effekten wie Reue, die von Menschen gezeigt wird, die unserer eigenen Gruppe angehören (Wohl, Hornsey, & Bennett, 2012) 

 

Der Volksmund sagt „Rache ist süß“. Stimmt das? 

  • Ja. Wer bestraft, ist stets zufrieden. 

  • Nein. Wer bestraft, wird unzufrieden. 

  • Das hängt davon ab, ob der Täter anschließend Reue zeigt. 

Reue spielt eine wichtige Rolle für unser Wohlbefinden, wenn wir strafen. In Experimenten konnte gezeigt werden, dass das pure Heimzahlen nicht zufrieden stellt, Rache an sich also nicht „süß“ ist. Versuchspersonen wurden zunächst von einem vermeintlichen weiteren Teilnehmenden der Studie unfair behandelt. Anschließend konnten sie diese Person bestrafen. Zum Beispiel konnten sie ihr Geld abziehen oder langweilige Aufgaben zuteilen. Ob die Versuchspersonen anschließend zufrieden waren, hing davon ab, ob die andere Person Einsicht in ihr Fehlverhalten zeigte und Reue signalisierte (Funk, McGeer, & Gollwitzer, 2014) 

 

 

Datenbasierte Computermodelle können zeigen: Im Gesicht sieht Reue ähnlich aus wie … 

  • Überraschung und Vertrauenswürdigkeit 

  • Wut und Angst 

  • Traurigkeit und Unterwürfigkeit 

 

Was zeigen datenbasierte Computermodelle hingegen über das Aussehen von Reuelosigkeit? 

  • Sie sieht wie Zufriedenheit aus. 

  • Sie ist unabhängig vom Kontext. 

  • Sie sieht wie Gleichgültigkeit aus. 

 

Was erhöht die Wahrscheinlichkeit der Versöhnung? Wenn jemand keine Reue empfindet, sollte er am besten … 

  • … versuchen, Reue vorzutäuschen. 

  • … auch nicht so tun – nur echte Reue hat positive Effekte. 

  • … sagen, dass er keine Reue empfindet, und es abhaken. 

Gesichtermodell ReueWie genau nehmen wir Reue eigentlich wahr, wie sieht Reue aus? Zusätzlich zur direkten verbalen Äußerung („Ich bereue…“) kann Reue auch durch Körpersprache ausgedrückt werden. Zum Beispiel dadurch, dass man den Kopf verdeckt und Augenkontakt vermeidet (Corwin, Cramer, Griffin, & Brodsky, 2012). Authentische, echte Reue unterscheidet sich in ihrem Ausdruck dabei verbal und nonverbal von vorgetäuschter Reue (ten Brinke, MacDonald, Porter, & O’Connor, 2012). Außerdem gibt es Forschung, die sich damit beschäftigt, ob wir Reue auch in Gesichtsmerkmalen lesen. Anhand von computerbasierten Gesichtermodellen kann man dies herausfinden, ohne Vorannahmen über den Gesichtsausdruck machen zu müssen (siehe Oosterhof & Todorov, 2008; Walker & Vetter, 2009). Wenn Versuchspersonen gebeten werden, viele Gesichter mit neutralem Gesichtsausdruck dahingehend zu beurteilen, wie reuevoll diese Gesichter auf sie wirken, können bestimmte Computerprogramme herausfinden, welche Gesichtsmerkmale Versuchspersonen für ihre Einschätzung verwendet haben. Anschließend können die Unterschiede zwischen diesen Merkmalen in anderen Bildern von Gesichtern visualisiert werden. Zum Beispiel kann die Software ein Foto einer Person oder ein computeranimiertes Gesicht reuelos oder reuevoll aussehen lassen. Über diesen Weg kann man die Unterschiede zwischen den Gesichtsausdrücken interpretieren. 

Wenn man sich nun resultierenden Bilder der Reuewahrnehmung anschaut (Funk, Walker, & Todorov, 2017) ergeben sich interessante Befunde, die frühere Forschung bestätigen und ergänzen. Es zeigt sich, dass wahrgenommene Reue mit relativ höheren Innenenden der Augenbrauen zusammenhängt, sowie mit heruntergezogenen Mundwinkeln und hellerer Pigmentierung. Kurzum, das, was wir als echte Reue wahrnehmen, sieht also ähnlich aus wie Traurigkeit (siehe Ekman, 1993). Außerdem ähnelte das Reue-Gesichtermodell eher dem Gegenteil des Gesichtermodells von Dominanz, das heißt, unterwürfig wirkende Gesichter nehmen wir eher als reuevoll wahr. Reuelosigkeit hingegen ähnelt einem leicht zufriedenen Gesicht.  

 

 

Was wir über die Psychologie der Reuewahrnehmung (im Gesicht, im Verbalen und Nonverbalen) wissen, … 

  • ist vor allem von westlichen Kulturen geprägt. 

  • … ist universell gültig. 

  • … ist vor allem von östlichen Kulturen geprägt. 

Forschung zu Reue und Reuewahrnehmung wurde bisher mit Versuchsteilnehmenden aus westlichen Ländern durchgeführt. Es ist möglich, dass sich in östlichen Kulturen andere Zusammenhänge zeigen, oder dass dort die Reuewahrnehmung von anderen Faktoren beeinflusst wird. Außerdem wissen wir zwar schon viel über die zwischenmenschliche Auswirkung von Reue, aber was eigentlich in unserem Kopf genau abläuft, wenn wir reuevolle Menschen beobachten ist noch relativ unbekannt. Die Zukunft der Reue-Forschung bleibt also spannend! 

 

Quellen:

Bornstein, B. H., Rung, L. M., & Miller, M. K. (2002). The effects of defendant remorse on mock juror decisions in a malpractice case. Behavioral Sciences & the Law, 20, 393–409. https://doi.org/10.1002/bsl.496

Corwin, E. P., Cramer, R. J., Griffin, D. A., & Brodsky, S. L. (2012). Defendant remorse, need for affect, and juror sentencing decisions. Journal of the American Academy of Psychiatry and the Law Online, 40, 41–49.

Darby, B. W., & Schlenker, B. R. (1989). Children’s reactions to transgressions: Effects of the actor’s apology, reputation and remorse. British Journal of Soci Psychology, 28, 353–364. https://doi.org/10.1111/j.2044-8309.1989.tb00879.x

Ekman, P. (1993). Facial expression and emotion. American Psychologist, 48, 384–392.

Funk, F., McGeer, V., & Gollwitzer, M. (2014). Get the message: Punishment is satisfying if the transgressor responds to its communicative intent. Personality and Social Psychology Bulletin, 40, 986–997. https://doi.org/10.1177/0146167214533130

Funk, F., Walker, M., & Todorov, A. (2017). Modeling perceptions of criminality and remorse from faces using a data-driven computational approach. Cognition & Emotion, 31(7), 1431–1443. https://doi.org/10.1080/02699931.2016.1227305

Gold, G. J., & Weiner, B. (2000). Remorse, confession, group identity, and expectancies about repeating a transgression. Basic and Applied Social Psychology, 22, 291–300. https://doi.org/10.1207/15324830051035992

Oosterhof, N. N., & Todorov, A. (2008). The functional basis of face evaluation. Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA, 105, 11087–11092.

Pipes, R. B., & Alessi, M. (1999). Remorse and a previously punished offense in assignment of punishment and estimated likelihood of a repeated offense. Psychological Reports, 85, 246–248. https://doi.org/10.2466/pr0.1999.85.1.246

Proeve, M., & Tudor, S. (2010). Remorse - Psychological and jurisprudential perspectives. Burington, VT: Ashgate.

Robinson, D. T., Smith-Lovin, L., & Tsoudis, O. (1994). Heinous crime or unfortunate accident? The effects of remorse on responses to mock criminal confessions. Social Forces, 73, 175–190. https://doi.org/10.2307/2579922

Rumsey, M. C. (1976). Effects of defendant background and remorse on sentencing judgments. Journal of Applied Social Psychology, 6, 64–68. https://doi.org/10.1111/j.1559-1816.1976.tb01312.x

Slovenko, R. (2006). Remorse. The Journal of Psychiatry & Law, 34, 397–432.

Taylor, C., & Kleinke, C. L. (1992). Effects of severity of accident, history of drunk driving, intent, and remorse on judgments of a drunk driver. Journal of Applied Social Psychology, 22, 1641–1655. https://doi.org/10.1111/j.1559-1816.1992.tb00966.x

Taylor, G. (1996). Guilt and remorse. In Rom Harré & W. Gerrod Parrott (Hrsg.), The Emotions: Social, Cultural and Biological Dimensions (S. 57–73). London, UK: SAGE.

ten Brinke, L., MacDonald, S., Porter, S., & O’Connor, B. (2012). Crocodile tears: Facial, verbal and body language behaviours associated with genuine and fabricated remorse. Law and Human Behavior, 36, 51–59. https://doi.org/10.1037/h0093950

Tsoudis, O., & Smith-Lovin, L. (1998). How bad was it? The effects of victim and perpetrator emotion on responses to criminal court vignettes. Social Forces, 77, 695–722. https://doi.org/10.2307/3005544

Walker, M., & Vetter, T. (2009). Portraits made to measure: Manipulating social judgments about individuals with a statistical face model. Journal of Vision, 9, 1–13. https://doi.org/10.1167/9.11.12

Wohl, M. J. A., Hornsey, M. J., & Bennett, S. H. (2012). Why group apologies succeed and fail: Intergroup forgiveness and the role of primary and secondary emotions. Journal of Personality and Social Psychology, 102, 306–322. https://doi.org/10.1037/a0024838

 

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