Corona-Krise: Warum tätigen Menschen Hamsterkäufe?

In Zeiten der Coronavirus-Krise haben Hamsterkäufe Hochkonjunktur. Warum Menschen zu solchem Kaufverhalten neigen, kann psychologische Forschung erklären.

Der Coronavirus hält die ganze Welt in Atem und legt weite Teile des öffentlichen Lebens lahm. Meldungen über leergefegte Einkaufsregale in Supermärkten machen die Runde. Wer Toilettenpapier, Seife oder Nudeln einkaufen will, findet leere Regale vor. Dies, obwohl klar kommuniziert wurde, dass es keine Engpässe geben wird und Supermärkte auch bei einem kompletten Lockdown offen gehalten werden. Warum kommt es trotzdem zu Hamsterkäufen? Zwei psychologische Prinzipien können dieses Kaufverhalten gut erklären.

Das Prinzip der Knappheit

Knappe Güter haben eine magische Anziehungskraft auf uns Menschen. Dabei ist es völlig egal, ob ein Gut tatsächlich knapp ist. Der reine Glaube, dass etwas knapp ist, reicht bereits aus, dass wir dieses Gut unbedingt haben wollen. Viele Firmen haben dieses Prinzip längst erkannt. Beispielsweise bringt Fanta regelmäßig limitierte Editionen auf den Markt, die nur kurze Zeit verfügbar sind. Das gleiche Prinzip wendet McDonalds an, wenn wieder einmal ein Hamburger nur für wenige Wochen angeboten wird.

Ob das Prinzip der Knappheit tatsächlich die Attraktivität eines Produkts steigert, wurde bereits in den 1970er Jahren in einer viel beachteten Untersuchung getestet (Worchel, Lee & Adewole, 1975). In dieser Studie erhielten die ProbandInnen mehrere Kekse. Danach sollten sie angeben, wie gerne sie die Kekse essen würden. Die Forschenden haben dabei die Knappheit der Kekse variiert, indem die Teilnehmenden entweder eine große Anzahl Kekse (10 Kekse) oder eine kleine Anzahl Kekse (2 Kekse) erhielten. ProbandInnen, die wenige Kekse erhielten, hatten ein stärkeres Verlangen nach den Keksen als ProbandInnen, die viele Kekse erhielten. Dieser Effekt war noch stärker ausgeprägt, wenn die Forschenden den Versuchspersonen mitteilten, dass sie nur zwei Kekse erhielten, weil andere ProbandInnen bereits zu viele Kekse gegessen hätten. Das Verlangen nach einem knappen Produkt ist also vor allem dann stark ausgeprägt, wenn sich die Knappheit durch erhöhte Nachfrage erklären lässt. 

Wenn KonsumentInnen also zu Zeiten der Coronavirus-Krise vor Regalen mit wenigen Produkten stehen, dann steigt die Anziehungskraft der entsprechenden Produkte. Dieser Effekt wird verstärkt, wenn KonsumtenInnen (z. B. aufgrund medialer Berichterstattungen) den Schluss ziehen, dass die Knappheit nachfragebedingt zustande kommt.

Das Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiungen

1973 hatte Johnny Carson, der damalige Moderator der Tonight Show, in den USA aus reinem Jux Hamsterkäufe von Toilettenpapier ausgelöst. Während einer Sendung hatte Carson aus Scherz gesagt, dass es eine nationale Knappheit an Toilettenpapier geben würde. Dies führte dazu, dass landesweit die Supermärkte gestürmt wurden und massenweise Toilettenpapier gekauft wurde. In Wirklichkeit war keine Knappheit zu befürchten, aber der Massenkauf hatte eine solche geschaffen. Die falsche Erwartung eines bevorstehenden Mangels veranlasste die Menschen also zu Reaktionen, die einen echten, wenn auch vorübergehenden Mangel schufen. 

Dieses Toilettenpapierbeispiel veranschaulicht ein allgemeineres Prinzip: Sobald wir ein gewisses Ereignis erwarten, neigen wir dazu, uns dieser Erwartung entsprechend zu verhalten. Als Folge davon wird die Erwartung wahr. PsychologInnen bezeichnen dieses Prinzip „selbsterfüllende Prophezeiung“.

In einem einflussreichen Experiment zu selbsterfüllenden Prophezeiungen (Rosenthal & Jacobsen, 1968) nahmen SchülerInnen aus 18 Klassen teil. Zu Beginn des Schuljahres gaben die ForscherInnen den LehrerInnen erfundene und falsche Informationen über deren SchülerInnen. Während über die eine Hälfte der SchülerInnen berichtet wurde, dass sie ein hohes intellektuelles Potential hätten, wurde über die andere Hälfte angegeben, dass sie ein geringes intellektuelles Potential hätten. Am Ende des Schuljahres wurde der IQ der SchülerInnen gemessen. Jene SchülerInnen, denen ein hohes intellektuelles Potential zugesprochen wurde, hatten am Ende des Schuljahres einen höheren IQ als die restlichen SchülerInnen. Dieser Befund lässt sich mit dem Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiungen hervorragend erklären: Die Erwartungen der LehrerInnen, welche auf falschen und erfunden Informationen beruhten, wurden Realität, weil sie jene SchülerInnen stärker förderten, von denen sie ein hohes intellektuelles Potential erwarteten.

Bei den Hamsterkäufen zeigt sich ein ähnliches Muster. KonsumentInnen erwarten fälschlicherweise, dass gewisse Produkte knapp sind. Aufgrund des Prinzips der Knappheit steigt das Verlangen die entsprechende Produkte zu kaufen. In der Folge werden diese Produkte tatsächlich knapp. Die falsche Erwartung wird erfüllt, wodurch sich der Irrglaube verfestigt und der Wunsch die entsprechenden Produkte zu kaufen weiter gesteigert wird – ein Teufelskreis entsteht.

Und was kann man nun gegen Hamsterkäufe tun? Ganz einfach, hören Sie auf Waren in Massen zu kaufen und falsche Erwartungen kund zu tun! Überdenken Sie also nochmals, ob Sie Bilder von leeren Regalen wirklich auf sozialen Medien teilen wollen. Der Appell richtet sich aber insbesondere an die Medien, da deren Berichterstattung über knappe Güter nicht nur deren Anziehungskraft erhöht, sondern auch falsche Erwartungen bestätigt.


Quellen

Rosenthal, R., & Jacobson, L. (1968). Pygmalion in the classroom. The urban review, 3, 16-20.
Worchel, S., Lee, J., & Adewole, A. (1975). Effects of supply and demand on ratings of object value. Journal of personality and social psychology, 32, 906-914.

Bildquelle

StockSnap via Pixabay

CC