Das Upgrade: Ein kleiner Schritt für die Mathematik, ein großer für unsere Bewertung
Von Ihrem Computerprogramm ist nun endlich die Version 3.0 auf dem Markt. Bisher nutzen Sie die 2.6. Werden Sie auf die neue Version umsteigen? Tatsächlich könnten Sie in diesem Fall eher dazu geneigt sein als, wenn Sie bislang 2.0 verwendeten. Manchmal ist eben 0,4 mehr als 1,0.
Verbesserungen, die sich im Dezimalbereich bewegen, werden oft als bedeutender empfunden als Verbesserungen, bei der sich die Skalierung um ganze Zahlen verändert. Das zeigten Shoham, Steinhart und Moldovan (2018) für Computerprogramme oder die Qualitätsratings eines Hotels oder einer digitalen Kamera.
Zwei Gründe machen die Autorinnen dafür verantwortlich. Zum einen suggeriere die Dezimalzahl eine viel feinere Skalierung, und das gebe dem an sich kleinen Unterschied ein recht hohes Gewicht: "Wenn es Version 2.6 gibt, dann gibt es auch 2.7 oder 2.9, und bei der Verbesserung sind offenbar all diese Stufen übersprungen worden. Toll!" Zwischen Version 2 und 3 müssten dagegen keine weiteren Stufen liegen, zumindest werde das nicht suggeriert.
Zum anderen aber werde mit der Änderung der führenden Ganzzahl eine Schwelle überschritten. Wir empfänden das als einen besonderen Sprung in der Qualität. Daher sei auch die Änderung von 2.7 auf 3.0 subjektiv größer als die von 2.2 auf 2.8, und es komme auch nicht auf die genauen Differenzen hinterm Komma an - es ist demnach also egal, ob sich die neue Kamera von Version 2.4 oder von 2.7 auf 3 verbessert. Hauptsache, es findet dieser qualitative Sprung statt - auf einer Skala, die viele Abstufungen vorsieht.
Nun empfinden wir die Zählungen in den Programmversionen ja oft als ziemlich beliebig, und so könnte man wohl einwenden, dass hinter der Nummerierung nicht wirklich Abstufungen einer echten Messung stehen. Die Zahl ist vielmehr von den HerstellerInnen willkürlich gewählt und soll genau das ausdrücken, was wir ihr auch entnehmen: Änderungen bei den Ganzzahlen sind groß, bei den Dezimalzahlen sind sie klein, egal, wie groß die mathematischen Differenzen ausfallen. Allerdings kann diese Überlegung allein die Befunde nicht erklären: Shoham et al. (2018) replizierten ihre Effekte auch bei Qualitätsratings, etwa für die Umweltfreundlichkeit eines Hotels. In diesem Fall würden wir vermutlich nicht mehr davon ausgehen, dass die Kriterien hinter den Ratings beliebig sind.
Die Sache sieht aber anders aus, wenn wir die Kriterien nicht einfach nur unterstellen, sondern kennen und selbst anwenden können. Wenn sich zum Beispiel das Display einer Kamera von 3.4 Zoll auf 4 vergrößert, dann wirkt dieser Unterschied keineswegs größer als der Sprung von 3 auf 4 Zoll – im Gegenteil. Wenn sich allerdings bei derselben Kamera der „Farbgenauigkeitswert“ von 3.4 auf 4 verbessert hat, dann ist das irgendwie schon wieder toller als eine Verbesserung von 3 auf 4.
Quelle:
Shoham, M., Moldovan, S., & Steinhart, Y. (2018). Mind the gap: How smaller numerical differences can increase product attractiveness. Journal of Consumer Research, 45(4), 761-774. doi: 10.1093/jcr/ucy022
Bildquelle:
CC: https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de
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