Ist Geben seliger denn Nehmen?
Viele Studien zeigen ausgesprochen positive Konsequenzen von Kontakten zu anderen Menschen: Sozial gut eingebundene Personen sind glücklicher, gesünder und leben länger. Aber woran liegt das? Die gewagte Hypothese von Stephanie Brown und Kollegen lautet: Es liegt am Geben.
Einige Befunde der Psychologie sind durch eine große Anzahl von Studien gut belegt. Zu diesen als gesichert geltenden Befunden gehört, dass sozialer Kontakt uns Menschen guttut und soziale Isolation nicht guttut. Häufig wurde dieser Effekt so begründet, dass sozial gut eingebundene Personen mehr Unterstützung und Hilfe erhalten. So können Problemen leichter bewältigt werden, was zu mehr Wohlbefinden, Glück und Gesundheit beitragen würde.
Stephanie Brown und ihre Kollegen haben einen anderen Erklärungsansatz für die positive Wirkung von sozialer Eingebundenheit untersucht: Sie führen ältere Befunde von anderen ForscherInnen ins Feld, nach denen eigenes Hilfeverhalten Menschen in positive Stimmung versetzt. Positive Emotionen wiederum wirken gesundheitsförderlich. Die Forschungsgruppe argumentiert weiter, dass auf der anderen Seite das Empfangen von Hilfe auch einige Nachteile mit sich bringt: Personen könnten sich abhängig, inkompetent oder sogar schuldig fühlen. Entsprechend könnte auch das Geben und nicht (nur) das Empfangen von sozialer Unterstützung die Ursache der positiven Konsequenzen von sozialem Kontakt sein.
Die ForscherInnen untersuchten ihre Hypothese anhand einer Stichprobe von 846 Personen, die älter als 65 Jahre waren. Zu Beginn der Untersuchung wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach dem Ausmaß befragt, in dem sie Unterstützung bekommen und selbst geben. Über die folgenden fünf Jahre wurde erfasst, ob und wann ein Teilnehmer oder eine Teilnehmerin verstarb.
Tatsächlich fanden die ForscherInnen eine höhere Überlebensrate von Personen, die viel Unterstützung gaben. Das Empfangen von Unterstützung hatte über den Effekt des Gebens hinaus keinen zusätzlichen Einfluss auf die Überlebensrate.
Zur Absicherung dieses Ergebnis war es wichtig, dass die ForscherInnen alternative Erklärungen ausschließen konnten. Beispielsweise könnten jüngere häufiger als ältere Personen Hilfe leisten, weil es ihre Kräfte zulassen. Gleichzeitig haben sie auch aufgrund des jüngeren Alters eine höhere Überlebensrate. Brown und Kollegen haben eine Menge solcher sogenannter „Drittvariablen“ berücksichtigt: Alter, Geschlecht, physischer und psychischer Gesundheitsstatus, sozioökonomischer Status, Bildung, etc. Der Einfluss dieser Größen kann durch statistische Verfahren kontrolliert werden. Das Ergebnis dieser Rechnungen war, dass tatsächlich das Geben der sozialen Unterstützung – und eben nicht eine der genannten Drittvariablen – verantwortlich für die Langlebigkeit der helfenden Personen ist.
Quellen:
Autor*innen
Artikelschlagwörter
Blog-Kategorien
- Corona (27)
- Für-Kinder (0)
- In-eigener-Sache (8)
- Interviews (11)
- Rechtspsychologie (24)
- Sozialpsychologie (216)
- Sportpsychologie (37)
- Umweltpsychologie (22)