Kiffen gegen Trauma?
Wenige Pflanzen haben wahrscheinlich eine so kontroverse Geschichte wie Cannabis. Weltweit schon häufig zu medizinischen Zwecken eingesetzt, hat jetzt eine Studie untersucht, ob Cannabis auch bei der Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) helfen kann.
Cannabis. Wahrscheinlich eine der berühmtesten Pflanzen auf der Welt. Während die rechtliche Situation von Cannabis zu Freizeitzwecken noch stark diskutiert wird, hat sich eine Regelung schon in vielen Ländern der Welt etabliert: Cannabisblüten mit THC (der psychoaktive Wirkstoff im Cannabis) oder CBD (ein anderer Wirkstoff der auch in der Cannabispflanze vorkommt) sind auf Rezept erhältlich. Auch in Deutschland. Auch wenn die Versorgung noch nicht immer gewährleistet ist (Tolmein, 2019), steht es ÄrztInnen theoretisch frei, Cannabis für verschiedene medizinische Zwecke zu verschreiben: Zum Beispiel bei Multipler Sklerose, Appetitlosigkeit, oder bei neuropathischen Schmerzen (Grotenhermen & Müller-Vahl, 2012).
Eine Indikation, die noch sehr kontrovers diskutiert wird, ist die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Es gibt eine ganze Menge Berichte laut denen Menschen mit einer PTBS (z.B. KriegsveteranInnen) zu Cannabis greifen, um ihre Symptomatik zu lindern (Bonn-Miller et al., 2020). Jetzt hat eine neue Studie von Bonn-Miller et al. (2021) untersucht, wie gut diese Praxis wirklich funktioniert. Dafür haben 80 Menschen mit der Diagnose PTBS eine von vier verschiedenen Cannabissorten erhalten (1. hoher THC Gehalt, 2. hoher CBD Gehalt, 3. THC und CBD Gehalt ausgeglichen, 4. Placebo-Cannabis ohne CBD oder THC) die sie über 3 Wochen zu Hause konsumieren durften. Vorher und nachher wurden die Teilnehmenden nach der Stärke ihrer PTBS Symptomatik befragt. Die guten Nachrichten: Im Durchschnitt ging es den Teilnehmenden nach diesen 3 Wochen besser als vorher, d.h. ihre PTBS Symptomatik war signifikant reduziert. Ganz wichtig jedoch: Es gab keine Unterschiede in der Stärke der Verbesserung zwischen den vier Versuchsgruppen. Also - die Teilnehmenden, die Placebo-Cannabis geraucht haben (ohne psychoaktive Wirkstoffe), haben sich genauso verbessert wie die Teilnehmenden, die die anderen Cannabisvarianten geraucht haben! Außerdem hat fast die Hälfte der Teilnehmenden, die Placebo-Cannabis geraucht haben, selbst geglaubt, dass sie „richtiges“ Cannabis bekommen hätten.
Was heißt das nun? Diese gut kontrollierte Studie gibt einen Hinweis darauf, dass Cannabis als Selbstmedikation vielleicht nicht über den Placebo Effekt hinausgeht. Das heißt nicht, dass die PTBS PatientInnen, die eine Verbesserung nach Cannabiskonsum berichten, sich nicht „wirklich“ besser fühlen. Stattdessen scheint es, dass diese Verbesserung vermutlich dem Placebo Effekt unterliegen. Also eine messbare Verbesserung - nur aus einem anderen Grund als angenommen!
Quellen:
Bonn-Miller, M. O., Brunstetter, M., Simonian, A., Loflin, M. J., Vandrey, R., Babson, K. A., & Wortzel, H. (2020). The Long-Term, Prospective, Therapeutic Impact of Cannabis on Post-Traumatic Stress Disorder. Cannabis and Cannabinoid Research. https://doi.org/10.1089/can.2020.0056
Bonn-Miller, M. O., Sisley, S., Riggs, P., Yazar-Klosinski, B., Wang, J. B., Loflin, M. J. E., Shechet, B., Hennigan, C., Matthews, R., Emerson, A., & Doblin, R. (2021). The short-term impact of 3 smoked cannabis preparations versus placebo on PTSD symptoms: A randomized cross-over clinical trial. PLOS ONE, 16(3), e0246990. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0246990
Grotenhermen, F., & Müller-Vahl, K. (2012). The Therapeutic Potential of Cannabis and Cannabinoids. Deutsches Ärzteblatt International, 109(29–30), 495–501. https://doi.org/10.3238/arztebl.2012.0495
Tolmein, O. (2019). Medizinische Versorgung mit Cannabis – die Rechtslage klärt sich. Der Schmerz, 33(5), 443–448. https://doi.org/10.1007/s00482-019-00410-7
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