Mythos pink: Reduzieren pinke Gefängniszellen wirklich aggressives Verhalten?
Gemäß Studien aus den Achtzigerjahren und aktuellen medialen Berichterstattungen sollen pinke Gefängniszellen die Aggression von Insassen reduzieren. Eine aktuelle Studie steht diesem Trend kritisch gegenüber.
Im Jahre 1979 berichtete Schauss (1979) aus einem amerikanischen Gefängnis, dass sich Insassen in pink gestrichenen Zellen weniger aggressiv verhalten als Insassen in weißen Zellen. Seither haben immer mehr amerikanische Vollzugsanstalten vereinzelte Zellen pink gestrichen, um besonders aggressive Insassen zu beruhigen. Mittlerweile ist der Trend auch in Europa angekommen. In der Schweiz haben beispielsweise über 30 Gefängnisse oder Polizeistationen bereits pinke Zellen. Wie aus immer häufiger werdenden medialen Berichterstattungen zu erfahren ist, sind Gefängnis-DirektorInnen und -AufseherInnen mit den pinken Zellen durchaus zufrieden. Aber halten diese Eindrücke auch einem harten empirischen Test stand?
Schaut man sich die bisherigen Befunde aus den Siebziger- und Achtzigerjahren genauer an, so fallen ein paar methodische Mängel auf. In der wichtigsten Studie zu dieser Thematik haben Pellegrini, Schauss und Miller (1981) beispielsweise die Zeit der Erhebung mit der Zellenfarbe konfundiert. Das heißt, die Insassen wurden zuerst ein Jahr in weißen Zellen und dann ein Jahr später in pinken Zellen beobachtet. Obwohl Pellegrini und Kollegen weniger aggressives Verhalten in pinken Zellen beobachteten, kann nicht ausgeschlossen werden, dass andere Faktoren zu dem Ergebnis geführt haben. So könnte es sein, dass es im zweiten Jahr wärmer war, nettere AufseherInnen zugegen waren, oder schlicht das Essen besser war. All das und vieles mehr könnte den beruhigenden Effekt der Farbe pink erklären.
Um zu testen, ob der Effekt der Farbe pink tatsächlich einen Einfluss auf die Aggressivität von Insassen hat, haben wir kürzlich eine kontrollierte Studie in einem Schweizer Gefängnis durchgeführt (Genschow, Noll, Wänke & Gersbach, 2014). Dabei wurde über einen Zeitrahmen von rund eineinhalb Jahren das Verhalten von 59 Insassen in Arrestzellen beobachtet. Entscheidend war, dass die Insassen per Zufall einer pinken oder einer weiß-grauen Zelle zugewiesen wurden. Durch diese Maßnahme konnten allfällige Störeinflüsse wie Wetter, Laune der AufseherInnen etc. konstant gehalten werden. Zusätzlich wurden weitere Schritte unternommen, um möglichst saubere Untersuchungsbedingungen zu schaffen. So wurden die beobachtenden AufseherInnen beispielsweise absichtlich im Unklaren über die Hypothesen gelassen und standardisierte Beobachtungsbögen zur Kategorisierung von aggressivem Verhalten benutzt.
Die Resultate dieser Studie sind ernüchternd. Auf keiner der erfassten aggressiven Verhaltensweisen lässt sich eine beruhigende Wirkung der Farbe pink feststellen. Pinke Zellen scheinen also Insassen nicht stärker zu beruhigen als weiß-graue Zellen. Es muss allerdings an dieser Studie kritisch angemerkt werden, dass die Stichprobe von 59 Personen für eine solche Feldstudie zwar recht groß war, für die Aufdeckung eines kleinen statistischen Effekts aber dennoch zu klein gewesen sein könnte. Zukünftige Forschung wird anhand einer großen Stichprobe klären müssen, ob der Effekt der Farbe pink tatsächlich nicht existiert, oder ob er nur in sehr kleinem Rahmen auftritt.
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