Rund zu rund, eckig zu eckig
Es ist ja erwiesen: Als Hundebesitzende wählen wir unsere vierbeinigen FreundInnen danach aus, dass sie uns möglichst ähnlichsehen (Roy & Christenfeld, 2004), und auch unsere Autos sehen – von vorne – so aus wie wir (Stieger & Voracek, 2014). Da ist es nur folgerichtig, dass wir, sofern wir etwas runder geraten sind, auch lieber runde Produkte mögen.
Wenn die etwas fülligere Kundin zum Juwelier kommt und eine Uhr kaufen möchte, wird der Verkäufer ihr sehr viel eher runde als eckige Designs empfehlen. Das Gleiche passiert bei den Flakons für ein Parfum, beim Design für eine Zimmerlampe, einen Wandspiegel, eine Kerze… egal: Wer ohnehin schon eher „rund“ ist, dem empfehlen die Verkaufskräfte auch lieber die runden Varianten ihrer Produkte (Vallen, Sridhar, Rubin, Ilyuk, Block & Argo, 2019).
Der Effekt ist nicht auf weibliche Kunden beschränkt. Vallen und KollegInnen (2019) zeigen ihn auch für übergewichtige Männer; und auch andere Merkmale des Aussehens, etwa das Gesicht, spielen bei diesem Effekt keine Rolle. In den Experimenten von Vallen und KollegInnen (2019) wurden sowohl weibliche als auch männliche Schauspieler mit Körperprothesen ausgepolstert, so dass dieselbe Person einmal normal und einmal übergewichtig erschien.
Aus der Konsumentenforschung weiß man, dass überwichtige Personen im Einzelhandel nicht eben bevorzugt behandelt werden: Sie erfahren weniger Blickkontakt oder Lächeln vom Verkaufspersonal, und sie müssen länger warten als schlanke Kundinnen oder Kunden (zum Überblick siehe Vallen et al., 2019, S. 271). Die Anpassung der Produktempfehlung an die Körperrundung ist so gesehen nur eine weitere Diskriminierung von Übergewichtigen.
Dennoch hat das „Dicken-Stereotyp“ in diesem Fall auch eine positive Seite: Runde Produkte werden deshalb bevorzugt an „runde“ Kundinnen und Kunden empfohlen, weil runde Formen generell mit Freundlichkeit assoziiert werden. Tatsächlich scheint der vermittelnde Mechanismus hier die unterstellte Wärme und Freundlichkeit zu sein, die – gemäß dem Stereotyp – bei Dicken eher zu erwarten ist als bei Knochigen.
In einem weiteren Experiment variierten Vallen und KollegInnen (2019) nicht nur die Körperfülle, sondern auch die Freundlichkeit der Kundinnen oder Kunden. Sowohl Freundlichkeit als auch runde Körperformen erhöhten beim Verkaufspersonal die Menge der empfohlenen runden Produkte. Hierbei war der Effekt für Freundlichkeit noch stärker als der für die Körperform – und am stärksten war er für freundliche Dicke.
Immerhin scheint es also mal ausnahmsweise eine Diskriminierung auf Grundlage eines „netten“ Stereotyps zu sein. Eine Diskriminierung bleibt es freilich.
Quellen:
Stieger, S., & Voracek, M. (2014). Not only dogs resemble their owners, cars do, too. Swiss Journal of Psychology, 73(2), 111–117. doi:10.1024/1421-0185/a000130
Roy, M. M., & Christenfeld, N. J. S. (2004). Do dogs resemble their owners? Psychological Science, 15(5), 361-363. doi:10.1111/j.0956-7976.2004.00684.x
Vallen, B., Sridhar, K., Rubin, D., Ilyuk, V., Block, L. G., & Argo, J. J. (2019). Shape- and trait-congruency: Using appearance-based cues as a basis for product recommendations. Journal of Consumer Psychology, 29(2), 271-284. doi:10.1002/jcpy.1065
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