Von patriotischen Landeiern und grünen Weltbürgern: Wie geografisches Zugehörigkeitsgefühl und Einstellungen zum Klimawandel zusammenhängen
Wo fühlen Sie sich zuhause? In Ihrem Dorf, in Ihrer Region, in Ihrem Land, in Europa oder doch auf dem ganzen Erdball? Und welche Auswirkungen hat das auf Ihre Bereitschaft, sich für Umwelt- und Klimaschutz einzusetzen?
Je stärker Menschen emotional mit einem Ort verbunden sind, desto motivierter sind sie, sich für dessen Schutz einzusetzen. Das zeigt sich beispielsweise im Widerstand gegen Bauvorhaben, welche das typische Aussehen eines Ortes bedrohen. Die Forschung zu Ortsverbundenheit konzentrierte sich bislang auf Verbundenheit mit spezifischen, klar abgrenzbaren, kleinräumigen und nahe gelegenen Orten, z. B. mit dem Wohnort einer Person. Damit verbunden war die Annahme, dass Menschen nur das wertschätzen, was räumlich und zeitlich nahe liegt.
Die Betrachtung von Orten, deren Ausdehnung derart beschränkt ist, kann im Rahmen von lokal beschränkten Veränderungen und Initiativen durchaus hilfreich sein, etwa um Konfliktpotentiale zu erkennen und diese zu entschärfen. Doch wie relevant ist eine Verbundenheit mit dem eigenen Wohnort angesichts von großräumigeren Herausforderungen wie der des Klimawandels? Was kümmert es eine in Zürich verwurzelte Person, wenn Berlin häufiger von sommerlichen Hitzewellen heimgesucht wird oder der steigende Meeresspiegel Hollands Küstengebiete zurückzuerobern droht? Da die Folgen des Klimawandels nicht nur lokal sondern global spürbar sein werden, könnte eine Verbundenheit mit geografisch stärker ausgedehnten Gebieten – wie beispielsweise dem Land, in welchem man wohnt, Europa oder der ganzen Welt – ein angemessenerer Maßstab für geografische Verbundenheit sein.
Eine neue Studie, welche Verbundenheit auf unterschiedlichen räumlichen Maßstäben untersuchte, zeigt, dass die Befragten sich durchschnittlich am wenigsten mit ihrer Nachbarschaft und am stärksten mit ihrem Land und der ganzen Welt verbunden fühlen (Devine-Wright, Price & Leviston, 2015). Weiter ergaben sich interessante Unterschiede zwischen Personen, die sich besonders stark mit der ganzen Welt verbunden fühlten, und denjenigen, die sich am stärksten mit ihrer Nation verbunden fühlten. Diejenigen mit starker Verbundenheit zu ihrem Land waren tendenziell älter, männlich, wählten konservative Parteien und wohnten in ländlichen Regionen. Diese Personen sahen die Ursache für den Klimawandel eher in natürlich ablaufenden Prozessen als in menschlichen Aktivitäten. Klimaschutzmaßnahmen betrachteten sie als eine Gefahr für die nationale Wirtschaft und sahen keinen Nutzen darin. Ganz anders sah es bei Personen aus, die sich mit der ganzen Welt verbunden fühlten; diese waren tendenziell jünger, weiblich, wählten die Grünen und lebten in großen Städten. Diese „Weltbürger“ waren am meisten davon überzeugt, dass der Klimawandel durch den Menschen verursacht wird und glaubten daran, dass Maßnahmen zum Klimaschutz sich auch positiv auf die Gesellschaft auswirken würden (z. B. durch einen besseren Lebensstandard, Förderung des Gemeinschaftssinnes).
Während die Verknüpfung gewisser soziodemografischer Merkmale (z. B. politische Orientierung) und Einstellungen gegenüber dem Klimawandel bereits aus zahlreichen Studien bekannt sind (z. B. Feinberg & Willer, 2013; McCright & Dunlap, 2011), stellen die beobachteten Zusammenhänge zwischen diesen Einstellungen und geografischem Zugehörigkeitsgefühl eine neue Erkenntnis dar.
Relevant sind diese Ergebnisse vor allem deshalb, weil sie die Vorstellung widerlegen, dass Menschen generell nur das kümmert, was vor ihrer Haustüre passiert. Eine weitere wichtige Erkenntnis ist das Wissen darüber, dass Menschen, je nachdem zu welchem Ort oder zu welcher Region sie sich besonders stark zugehörig fühlen, anders über den Klimawandel und mögliche Klimaschutzmaßnahmen denken. Dieses Wissen kann beispielsweise für die Gestaltung von Kampagnen wichtig sein.
Offen bleibt die Frage nach der Ursächlichkeit: Führt eine bestimmte geografische Zugehörigkeit zu entsprechenden Einstellungen, passen Menschen ihre Ortsverbundenheit an ihre Einstellungen an oder gibt es einen dritten Faktor (z. B. politische Orientierung, Werthaltung), der sowohl Ortsverbundenheit als auch Einstellungen prägt? Damit zusammenhängend stellt sich die Frage, was passiert, wenn sich die Ortsverbundenheit eines Menschen ändert. Ändern sich dann auch die Einstellungen gegenüber dem Klimawandel?
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