Zusatzarbeit nach Feierabend: Wie schädlich ist "Always on" für unser Wohlbefinden?
Auf dem Heimweg einen Kollegen zurückrufen, abends eine Präsentation fertigstellen oder vor dem Zubettgehen die E-Mails checken – für viele Beschäftigte ist das die Normalität. Doch inwiefern gefährdet dieses „Always on“-Sein unser Wohlbefinden? Und was kann uns dabei helfen, von abendlicher Zusatzarbeit sogar zu profitieren? Dieser Beitrag liefert Antworten.
Ein Arbeitsalltag ohne Smartphone, Laptop und Co ist für die meisten Beschäftigten kaum vorstellbar. In vielen Berufen werden sogenannte Informations- und Kommunikationstechnologien (IKTs) genutzt, um die Arbeit zu erledigen und sich mit Kolleg:innen, Kund:innen und Geschäftspartner:innen auszutauschen. Das hat unseren Arbeitsalltag hinsichtlich Effizienz, Geschwindigkeit und Vernetzung zweifelsohne verbessert.
Allerdings, und das ist durchaus kritisch zu sehen, trägt die zunehmende Nutzung von IKTs auch zu einer Aufweichung der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben bei. IKTs erlauben es uns theoretisch immer und überall erreichbar zu sein und arbeitsbezogene Aufgaben zu erledigen. In manchen Berufen (z.B. mit viel Kundenkontakt) wird dies sogar von Vorgesetzten oder Kolleg:innen erwartet. Arbeit ist heutzutage also keinesfalls mehr auf die offiziellen Arbeitszeiten beschränkt.
Die arbeitspsychologische Forschung spricht hier von Zusatzarbeit nach Feierabend mit Hilfe technologischer Geräte. Ob es ein kurzer Blick in die E-Mails vor dem Zubettgehen, eine Antwort an die Kollegin im Team-Chat während des Abendessens oder die Vorbereitung einer Präsentation bis spät in die Nacht ist – die Zahl der Beschäftigten, die nach Feierabend noch regelmäßig mittels IKTs arbeitet, ist hoch. Aber ist Zusatzarbeit gut für uns?
In einer kürzlich erschienenen Metaanalyse, einer quantitativen Zusammenfassung der Ergebnisse mehrerer Einzelstudien zur selben Fragestellung, haben Kühner und Kolleg:innen (2023) diese Frage adressiert. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Zusatzarbeit nach Feierabend negativ mit Wohlbefinden zusammenhängt. Wer abends noch arbeitet, kann schlechter mental abschalten, hat weniger Zeit sich zu erholen, schläft schlechter und fühlt sich erschöpfter.
Darüber hinaus kann Zusatzarbeit nach Feierabend mit Konflikten zwischen Arbeits- und Privatleben einhergehen. Insbesondere wenn die arbeitende Person private Anforderungen erfüllen muss oder möchte (z.B. Kinderbetreuung, Haushaltsaufgaben, Freizeitaktivitäten), konkurrieren die Arbeit und das Privatleben um die nach Feierabend zur Verfügung stehende Zeit. Dabei kann das Gefühl entstehen, dem Privatleben nicht gerecht zu werden und Personen sind eher unzufrieden mit der Balance zwischen ihrem Arbeits- und ihrem Privatleben.
Soll also Zusatzarbeit nach Feierabend unter allen Umständen vermieden werden? Nicht ganz. Es gibt Hinweise, dass Zusatzarbeit nicht immer schlecht sein muss. Aber: um von Zusatzarbeit zu profitieren, sollte dies mit konstruktiven arbeitsbezogenen Gedanken verbunden sein. Forschungsergebnisse (Eichberger et al., 2021, 2022) legen nahe, dass Arbeit nach Feierabend mit einer positiveren Stimmung und weniger unerledigten Aufgaben einhergehen kann, wenn das Arbeiten mit lösungsorientiertem und konstruktivem Nachdenken über die Arbeitsaufgaben verbunden ist. Wer gezielt nach Lösungen sucht, Probleme als Herausforderungen interpretiert und sich seinen Aufgaben grundsätzlich positiv nähert, der hat, so die Studienergebnisse, vor dem Zubettgehen weniger unerledigte Aufgaben und geht eher mit einem positiven Gefühl zu Bett. Also mehr Gedanken wie „Um diese Aufgabe zu lösen, werde ich wie folgt vorgehen“ oder „Diese Aufgabe ist interessant“ anstelle von „Jetzt muss ich das auch noch machen“ oder „Diese Aufgabe schaffe ich nie“.
Dennoch sollte die Schlussfolgerung nicht sein, dass Arbeit nach Feierabend kein Problem darstellt, solange es mit konstruktiven arbeitsbezogenen Gedanken einhergeht. Eine „Extrarunde“ nach Feierabend sollte die Ausnahme bleiben, um ausreichend Erholung sicherzustellen, sowie das Wohlbefinden und die Balance zwischen Arbeits- und Privatleben zu schützen. Wenn es intensive Projektphasen jedoch erfordern, sich nach Feierabend mit arbeitsbezogenen Inhalten zu beschäftigen, so sollten Beschäftigte dabei bewusst ihre Herangehensweise reflektieren und die Zusatzarbeit mit konstruktiven und lösungsorientierten Gedanken angehen.
Literaturverzeichnis
Eichberger, C., Derks, D., & Zacher, H. (2021). Technology-assisted supplemental work, psychological detachment, and employee well-being: A daily diary study. German Journal of Human Resource Management, 35(2), 199-223. https://doi.org/10.1177/2397002220968188
Eichberger, C., Derks, D., & Zacher, H. (2022). A daily diary study on technology-assisted supplemental work, unfinished tasks, and sleep: The role of problem-solving pondering. International Journal of Stress Management, 29(1), 61-74. https://doi.org/10.1037/str0000237
Kühner, C., Rudolph, C. W., Derks, D., Posch, M., & Zacher, H. (2023). Technology-assisted supplemental work: A meta-analysis. Journal of Vocational Behavior, 142, 103861. https://doi.org/10.1016/j.jvb.2023.103861
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