Die unterschätzte Macht des Abschieds – Wie Unternehmen langfristig von Austrittsgesprächen profitieren können

Immer noch nutzen Unternehmen Austrittsgespräche, um die Gründe für Kündigungen zu verstehen. Doch scheidende Mitarbeitende geben selten ehrliches und hilfreiches Feedback. Warum also daran festhalten? Eine aktuelle Studie ging dieser Frage nach und untersuchte das Potenzial von Austrittsgesprächen für einen letzten guten Eindruck: Können Austrittsgespräche die Beziehung zwischen Unternehmen und ehemaligen Mitarbeitenden nachhaltig beeinflussen? Und welche Rolle spielt das Verhalten der Mitarbeitenden dabei?

Für ein Unternehmen bedeutet der Weggang von Mitarbeitenden nicht nur den Verlust einer wichtigen Arbeitskraft, er ist auch mit einem erheblichen Ressourcenaufwand verbunden, denn Neueinstellungen binden Kosten und Zeit in der Personalauswahl und -einarbeitung. Um zu verhindern, dass weitere Mitarbeitende das Unternehmen verlassen, können sogenannte Austrittsgespräche durchgeführt werden.

Ein Austrittsgespräch ist meist das letzte Gespräch zwischen Arbeitgebenden und -nehmenden, bevor diese das Unternehmen verlassen. Ziel des Unternehmens ist es, herauszufinden, warum die Mitarbeitenden gekündigt haben. Dieses Feedback soll genutzt werden, um etwaige Missstände zu beheben und weitere Kündigungen zu verhindern. Doch kann stark bezweifelt werden, dass die Mitarbeitenden in solchen Gesprächen ein vollumfängliches, ehrliches Feedback geben (Johns & Gorrick, 2016), denn scheidende Mitarbeitende wollen meist einen positiven Eindruck von sich hinterlassen – zum einen, falls sich die Wege erneut kreuzen sollten, zum anderen, weil vielen ein gutes Arbeitszeugnis wichtig ist. Bringen Austrittsgespräche denn dann überhaupt etwas?

König und Kolleg*innen (2022) gingen genau dieser Frage nach. In ihrer retrospektiven Studie befragten sie 164 Personen aus Deutschland, die schon einmal gekündigt und bereits ein Unternehmen verlassen hatten. Nur knapp 41% der ausgeschiedenen Mitarbeitenden gaben an, ein Austrittsgespräch erhalten zu haben. Bei knapp 81% davon wurde das Gespräch durch die direkten Vorgesetzten durchgeführt. Die angegebenen Gründe für einen Weggang waren recht vielfältig. So berichteten die Personen beispielsweise von fehlenden Karriereoptionen, schlechten Arbeitsbedingungen, zu niedriger Bezahlung oder sie gaben an, dass die/der Vorgesetzte den Grund für die Kündigung darstellte.

Das eigentliche Ziel der Studie aber bestand darin, zu untersuchen, ob Austrittsgespräche neben der Gewinnung von Feedback noch einem anderen Zweck dienen können – einen letzten guten Eindruck bei den scheidenden Mitarbeitenden zu hinterlassen. Es zeigte sich, dass ehemalige Mitarbeitende, die ein Austrittsgespräch erhalten hatten, eine höhere Bindung gegenüber dem Unternehmen aufwiesen als diejenigen, die an keinem Austrittsgespräch teilgenommen hatten. Zudem hatten Erst- im Gegensatz zu Letztgenannten auch weniger die Absicht, sich negativ über das Unternehmen zu äußern. Vor allem auch der höfliche und respektvolle Umgang mit den Mitarbeitenden stellte sich bei den Austrittsgesprächen als wichtig heraus. Die Autor*innen argumentieren, dass die scheidenden Mitarbeitenden das Gefühl haben, fair behandelt zu werden, wenn ihnen die Möglichkeit gegeben wird, ihre Bedenken zu äußern und dabei ernst genommen werden.

Aber warum erhielt nicht einmal die Hälfte aller Befragten ein Austrittsgespräch? Ein Grund mag in der Art und Weise liegen, wie die Mitarbeitenden gekündigt hatten (Klotz & Bolino, 2016). König und Kolleg*innen konnten beobachten, dass Mitarbeitende, die ein positives Kündigungsverhalten aufwiesen, eher ein Austrittsgespräch erhielten als diejenigen, die ein negatives gewählt hatten. Mitarbeitende, die auf eine positive Weise kündigen, zeigen beispielsweise Dankbarkeit, geben ihre Entscheidung rechtzeitig bekannt und begründen diese. Ein negatives Kündigungsverhalten zeigt sich beispielsweise dadurch, dass Entscheidungen nicht begründet oder Vorgesetzte beleidigt werden.

Da ein positives Kündigungsverhalten oft als Indikator für eine mögliche Wiedereinstellung gesehen wird, ist es naheliegend, dass Unternehmen diesen Mitarbeitenden mehr Aufmerksamkeit schenken. Auf den zweiten Blick scheint dieser Zusammenhang allerdings paradox: Wäre es nicht gerade für die Mitarbeitenden, die verärgert über das Unternehmen sind, wichtig, ein wertschätzendes und aussöhnendes Austrittsgespräch zu erhalten? Eine spannende Frage für künftige Untersuchungen!

Was ist also das Fazit, das gezogen werden kann? Obwohl der Verlust von Mitarbeitenden ärgerlich ist, sollten Unternehmen Austrittsgespräche als wertvolle Chance begreifen. Ein respektvolles Gespräch im direkten Austausch könnte die Unternehmensreputation stärken und die Tür für eine zukünftige Zusammenarbeit offenhalten. Die vorliegende Studie unterstreicht, dass persönliche Austrittsgespräche langfristige Vorteile bieten können. Unternehmen können so nicht nur Feedback gewinnen, sondern auch die Bindung zu ihren ehemaligen Mitarbeitenden aufrechterhalten und das Unternehmensimage stärken.

Literaturverzeichnis

Johns, R. E., & Gorrick, J. (2016). Exploring the behavioural options of exit and voice in the exit interview process. International Journal of Employment Studies, 24(1), 25–41.

Klotz, A. C., & Bolino, M. C. (2016). Saying goodbye: The nature, causes, and consequences of employee resignation styles. Journal of Applied Psychology, 101(10), 1386–1404. https://doi.org/10.1037/apl0000135

König, C. J., Richter, M., & Isak, I. (2022). Exit interviews as a tool to reduce parting employees’ complaints about their former employer and to ensure residual commitment. Management Research Review, 45(3), 381–397. https://doi.org/10.1108/MRR-02-2021-0148 

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