Die unsichtbare Hand der KI: Kunst im digitalen Zeitalter

Qualitätssiegel „Made by a human”? Künstliche Intelligenz hat Einzug in die Kunstwelt gehalten und sorgt für hitzige Diskussionen. Künstler:innen fühlen sich bedroht, während Betrachter:innen oft nicht erkennen, ob ein Werk von einer KI oder einem Menschen stammt. Wie beeinflusst das unser Kunstverständnis und die Wertschätzung kreativer Werke?

In den vergangenen Jahren hat Künstliche Intelligenz (KI) bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Sie generiert heute abstrakte Kunstwerke oder realistische Bilder. Bereits mehrfach haben Künstler:innen Preise für ihre Werke gewonnen, nur um später zu enthüllen, dass diese mit Hilfe von KI entstanden sind. Diese Entwicklungen haben bei vielen im kreativen Bereich tätigen Menschen Besorgnis ausgelöst und zu kontroversen Diskussionen geführt (Epstein et al., 2023). Zum einen, weil ihre Werke zum Teil ohne ihre Zustimmung für das Training der Modelle genutzt werden, zum anderen, weil sie befürchten, dass ihre eigene Arbeit durch KI-generierte Werke entwertet und bedroht werden könnte. Sie plädieren dafür, dass die Verwendung von KI im künstlerischen Bereich konsequent transparent gemacht wird. Betrachter:innen müssten also darüber informiert werden, ob beispielsweise Bilder in der Werbung oder in den sozialen Medien mit Hilfe einer KI generiert wurden. Doch macht die Information, von wem ein Kunstwerk stammt, überhaupt einen Unterschied für unser Erleben von Kunst? Ja!

Wenn es um menschliche Künstler:innen geht, beeinflusst unser Wissen über sie, wie wir ihre Werke erleben. Halten wir ein Bild für das Werk eines berühmten Kunstschaffenden, dann betrachten wir es anders als ein Werk aus dem Kunstunterricht des eigenen Kindes. Es gibt zudem eine Präferenz für Bilder von Menschenhand, doch Betrachter:innen können häufig nicht zuverlässig unterscheiden, ob ein Bild von einer KI oder menschlichen Künstler:innen stammt (Samo & Highhouse, 2023).  Aber wie beeinflusst die Information „Made by KI“ unsere Wahrnehmung kreativer Inhalte? Finden wir ein Musikstück genauso bewegend, ein Bild genauso schön oder eine Geschichte genauso fesselnd, wenn wir wissen, dass sie von einer KI generiert wurden? Bisherige Studien deuten darauf hin, dass Betrachter:innen einem künstlerischen Werk weniger Wert zuschreiben und es weniger schön finden, wenn sie denken, dass es KI-generiert wurde (vgl. Neef et al., 2024).

Hierfür gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze. Einer dieser Ansätze führt den Effekt darauf zurück, dass Menschen und KI sehr unterschiedliche Fähigkeiten zugeschrieben werden: eine KI hat beispielsweise deutlich weniger mentale Fähigkeiten, insbesondere wenn es darum geht, Emotionen zu empfinden und auszudrücken. In Bezug auf ein Kunstwerk bedeutet das auch: eine KI hat keine persönlichen Empfindungen oder Gedanken, die sich in ihren Werken widerspiegeln könnte. Das Werk der KI ist das Produkt eines zufallsbasierten Prozesses ohne bewusste Intention (Messingschlager & Appel, 2023).

Dieser Mangel an mentalen Fähigkeiten könnte ein Grund für die geringere Wertschätzung von KI-generierten Bildern sein (Messingschlager & Appel, 2023). In zwei Experimenten erhielten insgesamt 575 Teilnehmende entweder die Information, dass ihnen nun Bilder eines menschlichen Künstlers* (Verwendung eines geschlechtsneutralen Namens, um Verzerrungen vorzubeugen) oder von einer KI präsentiert werden. Anschließend sahen sie einige KI-generierte Bilder. Die Teilnehmenden schrieben der bildgenerierenden KI insgesamt weniger mentale Fähigkeiten zu (z.B. die Fähigkeit zu planen, glücklich oder traurig zu sein) als dem menschlichen Künstler*. Je weniger mentale Fähigkeiten die Teilnehmenden der Quelle des Bildes zuschrieben, desto weniger konnten sie das Bild wertschätzen. Dieselben Bilder gefielen diesen Personen dann weniger gut und sie fanden sie weniger bedeutungsvoll als anderen Personen, die mehr mentale Fähigkeiten vermuteten.

Besonders im direkten Vergleich zwischen Mensch und KI erfährt Kunst von menschlichen Künstler:innen deutlich mehr Wertschätzung (Neef et al., 2024). Das Label „Made by KI” kann also dazu führen, dass Betrachtende ein Kunstwerk weniger wertschätzen, da wertvolle Kunst für uns (noch) mit einer menschlichen Perspektive und Intention verbunden ist. Umgekehrt ist die Information „Made by Human“ wichtig, um die Fertigkeiten, Gedanken und Mühen, die in ein Werk geflossen ist, entsprechend zu würdigen. Auch deshalb ist ein Hinweis auf die Quelle und den Entstehungsprozess wichtig.

Literaturverzeichnis

Epstein, Z., Hertzmann, A., Akten, M., Farid, H., Fjeld, J., Frank, M. R., Groh, M., Herman, L., Leach, N., Mahari, R., Pentland, A. S., Russakovsky, O., Schroeder, H., & Smith, A. (2023). Art and the science of generative AI. Science, 380(6650), 1110–1111. https://doi.org/10.1126/science.adh4451

Messingschlager, T. V., & Appel, M. (2023). Mind ascribed to AI and the appreciation of AI-generated art. New Media & Society, Advance online publication. https://doi.org/10.1177/14614448231200248

Neef, N. E., Zabel, S., Papoli, M., Otto, S. (2024). Drawing the full picture on diverging findings: adjusting the view on the perception of art created by artificial intelligence. AI & Society, Advance online publication. https://doi.org/10.1007/s00146-024-02020-z

Samo, A., & Highhouse, S. (2023). Artificial intelligence and art: Identifying the aesthetic judgment factors that distinguish human- and machine-generated artwork. Psychology of Aesthetics, Creativity, and the Arts. Advance online publication. https://doi.org/10.1037/aca0000570

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