„Ich weiß schon, wie ich das am besten hinkriege“ – Warum persönliche Zielerreichungsstrategien wissenschaftlich erprobte übertreffen können
Wie kriege ich meine Finanzen in den Griff? Wann gehe ich endlich regelmäßig laufen? Viele Menschen wünschen sich zur Erreichung dieser oder ähnlicher Ziele Hilfe durch wissenschaftlich erprobte Zielerreichungsstrategien. Aktuelle Forschung deutet darauf hin, dass wir den Wert ganz persönlicher Zielerreichungsstrategien allerdings nicht unterschätzen sollten.
Wenn Menschen auf langfristige Ziele hinarbeiten, stehen ihnen manchmal kurzfristige Versuchungen im Weg, etwa die Schokolade und das Faulenzen auf dem Sofa gegenüber der gesunden Ernährung und der körperlichen Fitness. Die psychologische Forschung bezeichnet solche Konstellationen als Selbstkontrollkonflikte. Menschen nutzen vielfältige Strategien, um mit Selbstkontrollkonflikten umzugehen, z.B. das Verstecken von Süßigkeiten in der hintersten Ecke des Küchenschranks oder das demonstrative Vor-die-Haustür-Stellen der Laufschuhe. Aber welche Selbstkontrollstrategien funktionieren besonders gut? Und für wen? Die Selbstkontrollforschung bemüht sich darum, diese und ähnliche Fragen zu beantworten.
Sollte man also einfach in Erfahrung bringen, welche Selbstkontrollstrategien sich in wissenschaftlichen Studien am besten bewährt haben, und versuchen, diese im eigenen Alltag umzusetzen? Was zunächst plausibel klingen mag, wird von einer Reihe aktueller Studien mit US-amerikanischen Stichproben zu finanziellen Selbstkontrollstrategien ein Stück weit infrage gestellt (Peetz & Davydenko, 2021). In zwei Studien untersuchte ein kanadisches Forschungsteam das monatliche Ausgabeverhalten der Teilnehmenden und verglich es mit durch die Teilnehmenden selbst gesteckten Ausgabezielen. Einem Teil der Stichprobe wurden dabei jeweils finanzielle Selbstkontrollstrategien vermittelt (z. B. das Festlegen fester Budgets für bestimmte Zwecke), die sich in einer Meta-Analyse, also einer zusammenfassenden Auswertung von Studien über solche Strategien, als wirksam erwiesen hatten (Davydenko et al., 2021). Ein anderer Teil der Teilnehmenden wurde darum gebeten, sich an persönliche Selbstkontrollstrategien aus dem eigenen Alltag zu erinnern, die aus ihrer Sicht für sie hilfreich zur Erreichung ihres Ausgabeziels sein könnten. Diese persönlichen Selbstkontrollstrategien hatten sich also nicht notwendigerweise in wissenschaftlichen Studien im Mittel über viele Personen als hilfreich herausgestellt. Das überraschende Ergebnis: In beiden Studien waren die Teilnehmenden mit persönlichen Strategien in der Kontrolle ihres Ausgabeverhaltens erfolgreicher als diejenigen mit wissenschaftlich erprobten Strategien. Sie erreichten im Mittel weniger Abweichung von ihrem Ausgabeziel und gaben auch nominal weniger aus. In einer dritten Studie interessierten sich die Forschenden für mögliche Mechanismen hinter diesem Effekt und beobachteten unter anderem, dass die Passung zwischen Selbstkontrollstrategien und eigener Persönlichkeit bei persönlichen Strategien deutlich höher eingeschätzt wurde als bei von außen vermittelten wissenschaftlich erprobten Strategien. So könnten Menschen mit großer Offenheit für neue Erfahrungen – einer viel untersuchten Persönlichkeitsdimension – etwa eher mit Selbstkontrollstrategien hadern, die zukünftige Erfahrungsmöglichkeiten von vornherein verbauen (z. B. das grundsätzliche Meiden bestimmter Orte und Situationen). Diese und ähnliche Hypothesen müssen zukünftig noch näher untersucht werden.
Sind persönliche Selbstkontrollstrategien wissenschaftlich erprobten also pauschal vorzuziehen? Das wäre sicherlich ein Fehlschluss. Umgekehrt sollte man aber auch nicht davon ausgehen, dass Strategien, die sich im Mittel bei einer breiten Masse von Menschen als wirksam erwiesen haben - was der typische Fokus entsprechender Studien ist -, auch in jedem Einzelfall gleichermaßen wirksam sein müssen. Persönliche Merkmale bestimmen mit, was uns am besten hilft, unsere Ziele zu erreichen.
Quellen:
Davydenko, M., Kolbuszewska, M., & Peetz, J. (2021). A meta-analysis of financial self-control strategies: Comparing empirical findings with online media and lay person perspectives on what helps individuals curb spending and start saving. PLoS ONE, 16(7): e0253938. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0253938
Peetz, J., & Davydenko, M. (2021). Financial self-control strategy use: Generating personal strategies reduces spending more than learning expert strategies. Journal of Experimental Social Psychology, 97, 104189. https://doi.org/10.1016/j.jesp.2021.104189
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