Im Teufelskreis gefangen? Das komplexe Zusammenspiel von Arbeitsbelastungen und Burnout
Ein Konflikt mit einer Kollegin, Zeitdruck oder technische Probleme - Belastungsfaktoren bei der Arbeit können viele Gesichter haben. Häufen sich diese Arbeitsbelastungen, kann es zu Burnout kommen. Aktuelle Forschung weist jedoch darauf hin, dass dieses Zusammenspiel von Arbeitsbelastungen und Burnout komplexer ist als bisher gedacht. Befinden sich Arbeitnehmende möglicherweise in einem Teufelskreis?
Laut einer Umfrage der Techniker Krankenkasse haben die Stresslevel in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Als Hauptauslöser für Stress gaben Befragte dabei ihre Arbeit an, wobei am häufigsten über ein Übermaß an Arbeit, Termindruck und Störungen geklagt wird. Gleichzeitig geht ein höheres Stressempfinden auch mit einem schlechteren Gesundheitszustand einher (Techniker Krankenkasse, 2021). Arbeitsbezogener Stress stellt daher ein bedeutendes Problem für das Wohlbefinden und die Gesundheit von Arbeitnehmenden dar und führt gleichzeitig auch zu erheblichen gesellschaftlichen Kosten (z.B. durch Krankheitstage; Hassard et al., 2017).
In der Forschung, die sich mit arbeitsbezogenem Stress beschäftigt, wird zwischen Belastung und Beanspruchung unterschieden. Arbeitsbelastungen sind dabei äußere Faktoren, die auf Menschen einwirken, wie beispielsweise Konflikte mit Kolleg:innen oder Zeitdruck. Beanspruchung bezeichnet hingegen die individuelle Reaktion des Menschen auf Belastungen, etwa in Form von Burnout. Burnout beschreibt dabei einen Zustand von Erschöpfung, zynischer Haltung gegenüber der Arbeit sowie verringerter Leistungsfähigkeit. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass soziale Arbeitsbelastungen, wie beispielsweise Konflikte mit Kolleg:innen oder Kund:innen, mit erhöhten Burnoutsymptomen einhergehen (Gerhardt et al., 2021). Oft übersehen wurde allerdings bisher die umgedrehte Wirkweise: Könnten Burnoutsymptome auch zu einer höheren Wahrnehmung oder einem höheren Auftreten von Arbeitsbelastungen führen?
Dieser Frage ging eine Meta-Analyse von Christina Guthier und Kollegen (2020) nach, in der die Wechselwirkungen zwischen Arbeitsbelastungen und Burnout untersucht wurden. Die Ergebnisse bestätigten zum einen den Belastungseffekt, sodass höhere Arbeitsbelastungen auch mehr Burnoutsymptome mit sich brachten. Gleichzeitig zeigte sich aber auch ein deutlicher Beanspruchungseffekt, sodass höhere Burnoutsymptome mit einer verstärkten Wahrnehmung oder einem häufigeren Auftreten von Arbeitsbelastungen einhergingen. Bemerkenswerterweise war dieser Beanspruchungseffekt sogar deutlich stärker ausgeprägt als der Belastungseffekt.
Aktuell werden drei mögliche Erklärungsansätze für diesen starken Beanspruchungseffekt diskutiert (Guthier et al., 2020). Der erste Ansatz ist die sogenannte Abwärtstrendhypothese. So könnten Personen mit stärkeren Beanspruchungssymptomen schlechtere Jobs erhalten oder in schlechtere Jobs versetzt werden. Beispielsweise könnte Burnout zur Arbeitslosigkeit führen, wodurch Betroffene anschließend gezwungen sind, einen schlechteren, stärker belastenden, Job anzunehmen. Der zweite Ansatz ist die sogenannte Kreierungshypothese. Hierbei könnten Personen mit höheren Beanspruchungssymptomen sich selbst mehr Arbeitsbelastungen erschaffen. Beispielsweise könnten Arbeitnehmende als Folge von Burnout Probleme haben, ihre Aufgaben zu strukturieren und effizient zu arbeiten, was zusätzlichen Zeitdruck erzeugt. Der dritte, und vermutlich wahrscheinlichste, Ansatz ist die sogenannte Wahrnehmungshypothese. So könnte es sein, dass Personen mit höheren Beanspruchungssymptomen Arbeitsbelastungen einfach stärker wahrnehmen. Beispielsweise könnten Arbeitnehmende als Folge von Burnout sensibler gegenüber Konflikten mit Kolleg:innen sein.
Auch wenn die Ursachen des starken Beanspruchungseffekts noch nicht abschließend geklärt sind, ist eines klar: Arbeitsbelastungen und Burnout können einen gefährlichen Teufelskreis bilden. Wenn Belastungen am Arbeitsplatz auftreten, können diese zu erhöhten Burnoutsymptomen führen (Belastungseffekt), die wiederum das Auftreten und die Wahrnehmung weiterer Arbeitsbelastungen wahrscheinlicher machen (Beanspruchungseffekt). Somit ist es zentral, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Um das zu erreichen, sollten jedoch nicht nur Arbeitnehmende selbst aktiv werden (z.B. durch Erholung am Feierabend oder ausreichend Pausen), sondern auch Führungskräfte und Organisationen explizit in die Verantwortung genommen werden. Beispielsweise könnten Führungskräfte darin geschult werden, Arbeitnehmende zu unterstützen, während Organisationen Handlungsspielräume und Möglichkeiten zur Selbstbestimmung schaffen (Leger et al., 2022).
Literaturverzeichnis
Gerhardt, C., Semmer, N. K., Sauter, S., Walker, A., de Wijn, N., Kälin, W., Kottwitz, M. U., Kersten, B., Ulrich, B., & Elfering, A. (2021). How are social stressors at work related to well-being and health? A systematic review and meta-analysis. BMC Public Health, 21(1). https://doi.org/10.1186/s12889-021-10894-7
Guthier, C., Dormann, C., & Voelkle, M. C. (2020). Reciprocal effects between job stressors and burnout: A continuous time meta-analysis of longitudinal studies. Psychological Bulletin, 146(12), 1146–1173. https://doi.org/10.1037/bul0000304
Hassard, J., Teoh, K. R. H., Visockaite, G., Dewe, P., & Cox, T. (2018). The cost of work-related stress to society: A systematic review. Journal of Occupational Health Psychology, 23(1), 1–17. https://doi.org/10.1037/ocp0000069
Leger, K. A., Lee, S., Chandler, K. D., & Almeida, D. M. (2022). Effects of a workplace intervention on daily stressor reactivity. Journal of Occupational Health Psychology, 27(1), 152–163. https://doi.org/10.1037/ocp0000297
Techniker Krankenkasse. (2021). Entspann dich, Deutschland! TK-Stressstudie 2021. https://www.tk.de/presse/themen/praevention/gesundheitsstudien/tk-stress...
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