Lebenslauf im Röntgenblick: Was ein CV wirklich über die Persönlichkeit verrät

Lebensläufe sind mehr als Aufzählungen von Erfahrungen und Qualifikationen – sie erzählen eine Geschichte. Aber können sie auch Hinweise auf die Persönlichkeit eines Menschen geben? Um das zu untersuchen, wurden in einer Studie 141 Berufseinsteiger:innen untersucht (Härtel et al., 2024). Diese machten Persönlichkeitstests zu den Big Five und Narzissmus und stellten ihre Lebensläufe zur Verfügung. Die Frage: Welche Informationen in diesen Lebensläufen verraten etwas über ihre Persönlichkeit? Die Antwort: Es gibt Hinweise, aber sie sind subtil.

Recruiter*innen legen großen Wert auf die Persönlichkeit von Bewerbenden, um die Passung zur Stelle, zum Team, oder zum Unternehmen zu beurteilen. Darüber hinaus ist die Persönlichkeit ein wichtiger Faktor bei der Vorhersage von beruflichen Erfolgskriterien wie Leistung, Führungseffektivität, oder Stressresistenz (Barrick & Mount, 1994). Lebensläufe stellen das am häufigsten eingesetzte Instrument zur Personalauswahl dar und Recruiter*innen nutzen die dort dargebotenen Informationen oft für Schlüsse auf die Persönlichkeit (Burns et al., 2014; König et al., 2010). Beispielsweise wird häufig angenommen, dass Teamsportler*innen extravertierter sind und gewissenhafte Personen weniger Rechtschreibfehler machen.

Doch welche Signale in Lebensläufen liefern wirklich valide Hinweise auf die Persönlichkeit eines Bewerbenden? Anhand von 141 Studierenden wirtschaftswissenschaftlicher Fächer wurden in einer neuen Studie 70 Arten von potenziellen Persönlichkeitshinweisen (sogenannte Cues) kodiert, wie beispielsweise die Anzahl der Rechtschreibfehler (Härtel et al., 2024). Diese Cues wurden anschließend mit den Persönlichkeitstestwerten der Studierenden korreliert, wie beispielsweise die Gewissenhaftigkeitsscores. Folgende valide Signale auf die Persönlichkeit wurden dabei gefunden;

Offenheit: Wege abseits des Standards

Ist eine Person neugierig, kreativ und offen für neue Erfahrungen? Wenn ja, könnte dies der Lebenslauf widerspiegeln. Offene Menschen scheinen eher abseits der üblichen Pfade zu gehen: Während die meisten Bewerber*innen Stichpunkte verwenden, integrieren sie Fließtext in ihren Lebenslauf. Dies könnte ihrer kreativen Art Ausdruck zu verleihen. Ebenso kann ein Fachabitur Offenheit signalisieren. Möglicherweise da es häufig erlaubt, frühzeitig spezialisierte Interessen zu verfolgen und alternative Perspektiven einzunehmen.

Gewissenhaftigkeit: Früh übt sich

Gewissenhaftigkeit zeigte sich besonders in der Anzahl und Qualität beruflicher und akademischer Erfahrungen. Bewerber*innen, die bereits früh viele Praktika oder Nebenjobs absolviert hatten, erzielten höhere Werte für diese Eigenschaft. Auch gute Noten und ein hoher Anteil an akademischen extracurricularen Aktivitäten – etwa Engagement in der Fachschaft – waren valide Hinweise. Ein Lebenslauf, der Zielstrebigkeit und Engagement betont, lässt also auf eine eher organisierte und zuverlässige Person schließen.

Extraversion: Vernetzt und stilsicher

Extravertierte lieben es, sich mit anderen Menschen zu vernetzen. Kein Wunder also, dass sie häufiger Links zu Plattformen wie LinkedIn oder Twitter in ihren Lebensläufen platzieren. Zudem scheint sich ihre Extraversion in einem ansprechend gestalteten Design zu zeigen. Dies passt zu Befunden, dass sie auch auf ihr äußeres Erscheinungsbild besonderen Wert legen (Naumann et al., 2009).

Narzissmus: Karriereorientierung zählt

Bei Narzissmus fielen vor allem Hinweise auf karriereorientierte extracurriculare Aktivitäten ins Auge, wie die Mitgliedschaft in studentischen Unternehmensberatungen. Auch Erfahrungen bei renommierten Unternehmen in der Wirtschaftsprüfung und Beratung wurden häufiger angegeben. Diese Lebenslaufdetails könnten auf ein Karrierestreben hinweisen, das oft mit narzisstischen Zügen assoziiert wird.

Und die anderen Eigenschaften?

Während Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion und Narzissmus in Lebensläufen sichtbar wurden, waren die Hinweise für Verträglichkeit und Neurotizismus schwächer ausgeprägt. Hier konnten lediglich wenige Tendenzen aufgedeckt werden – etwa eine höhere Anzahl an Auslandsaufenthalten für Verträglichkeit oder weniger reputable Universitäten für Neurotizismus.

Die Grenzen der Persönlichkeit im Lebenslauf

Obwohl valide Hinweise auf Persönlichkeit in Lebensläufen gefunden werden konnten, bleibt die Aussagekraft begrenzt. Die analysierten Cues erklärten jeweils nur einen kleinen Anteil der gemessenen Persönlichkeit – etwa 23 % bei Offenheit oder 18 % bei Gewissenhaftigkeit. Das bedeutet: Lebensläufe enthalten subtile Signale, die mit Persönlichkeit in Verbindung stehen, doch diese Hinweise sind weder offensichtlich noch umfassend. Um Persönlichkeit im Unternehmenskontext zuverlässig zu erfassen, bleiben klassische Persönlichkeitstests das Mittel der Wahl.

Literaturverzeichnis

Barrick, M. R., & Mount, M. K. (1991). The big five personality dimensions and job performance: A meta-analysis. Personnel Psychology, 44(1), 1–26. https://doi.org/10.1111/j.1744-6570.1991.tb00688.x

Burns, G. N., Christiansen, N. D., Morris, M. B., Periard, David. A., & Coaster, J. A. (2014). Effects of applicant personality on resume evaluations. Journal of Business and Psychology, 29(4), 573–591. https://doi.org/10.1007/s10869-014-9349-6

Härtel, T. M., Breil, S. M., Grunenberg, E., & Back, M. D. (2024). Relationships between resumé cues and applicants’ personality. Applied Psychology, 1–44. https://doi.org/10.1111/apps.12522

König, C. J., Klehe, U.-C., Berchtold, M., & Kleinmann, M. (2010). Reasons for being selective when choosing personnel selection procedures. International Journal of Selection and Assessment, 18(1), 17–27. https://doi.org/10.1111/j.1468-2389.2010.00485.x

Naumann, L. P., Vazire, S., Rentfrow, P. J., & Gosling, S. D. (2009). Personality judgments based on physical appearance. Personality and Social Psychology Bulletin, 35(12), 1661–1671. https://doi.org/10.1177/0146167209346309

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